Geheimnisse der Wiener Stadtnatur

Newsflash

Kommt mit uns auf eine Enttdeckungsreise durch Wien - Die Freizeittipps der WUA:
Hier gibt es zahlreiche Lebensräume und Lebewesen zu bestaunen: von verliebten Reihern, über prächtige Baumriesen bis hin zu grünen Fassaden. Wir haben einige besondere Orte ausgewählt! Mehr ...

Umwelttipp der Woche

Saisonales Obst und Gemüse genießen
Will man beim Einkauf von Obst und Gemüse was für die Umwelt tun, sollte man darauf achten, woher die Produkte kommen. Leichtverderbliches wie Erdbeeren, Himbeeren oder Spargel außerhalb der Saison wird oft aus Israel, Peru usw. eingeflogen. Da ist es doch sinnvoller, noch ein paar Wochen zu warten und dann frisch und ohne (vielleicht verbotene) Pestizide das BESTE aus Österreich zu genießen.

Resümee

Die Wiener Umweltanwaltschaft feierte am 17. November 2015 in der Urania ihr mehr als 20-jähriges Bestehen. Vor dem feierlichen Akt gab es noch eine „wirklich feine Veranstaltung“ (Zitat einer Teilnehmerin) unter dem Motto „I want to be like the cool kids!“. Klemens Himpele (MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik), Brigitte Hozang (Landschaftsplanerin), Renate Kraft (MA 13 – Bildung und außerschulische Jugendbetreuung), Eva Kail (Magistratsdirektion – Bauten und Technik) und Karin Büchl-Krammerstätter (MA 22 - Umweltschutz, leider erkrankt) und die Leiterin der Wiener Umweltanwaltschaft Andrea Schnattinger haben unter gelungener Moderation von Wolfgang Gerlich diskutiert. Vorgabe für die Podiumsgäste war es, eine These zu dem vorgegebenen Thema zu formulieren, die kurz und prägnant den jeweiligen Standpunkt darlegt.

Ing.in Dr.in Karin Büchl-Krammerstätter
Dipl.-Vw. Klemens Himpele
DIin Brigitte Hozang
Renate Kraft
DIin Eva Kail
Mag.a Dr.in Andrea Schnattinger

Diskussion

Karin Büchl-Krammerstätter (vertreten durch Wolfgang Gerlich)

„Gerechtigkeit in einer Großstadt wie Wien bedeutet für mich unter anderem, dass jede und jeder Lebensqualität durch leicht erreichbare Grünräume genießen kann – und auch eine Vielzahl an Arten hier ihre Lebensräume finden.“

Besonders die zunehmende Kompartimentierung von Nutzungen, die Abgrenzung einzelner NutzerInnengruppen voneinander behindert die Erholungswirkung und führt zum „verlernen“ der Rücksichtnahme.

Klemens Himpele

„Grünraum für alle zugänglich zu gestalten ist ein zentraler Bestandteil der Lebensqualität.“plakat2

Wien wächst – Wien wird „jünger“ und älter zugleich. Das Durchschnittsalter in Wien ist niedriger als in den Bundesländern. Auch die Geburtenrate ist angestiegen. Die Entwicklung der Bevölkerung zeigt in den kommenden Jahren sowohl ein Anwachsen der Gruppe der Kinder und Jugendlichen als auch der Gruppe der älteren Menschen. Beide Gruppen benötigen im Besonderen fußläufig erreichbare Grünräume mit vielfältigen Qualitäten. Dieser Umstand muss bei der Verortung, der Qualität und der Erreichbarkeit künftiger Frei- und Grünräume berücksichtigt werden.

Brigitte Hozang

„Ich möchte mit meiner Arbeit zu Kennwerten Raum für Bekanntes und Unbekanntes geben.“

Brigitte Hozang stellte das Berechnungsmodell der Kennwerte vor, wobei sich in der Diskussion herauskristallisierte, dass es einen Bedarf an Konkretisierung gibt, was genau sie beinhalten und für welche Nutzungen diese Kennwerte gelten. Die genannten 13 m² Grün- und Freiraumbedarf pro Einwohner stellen den unmittelbar von den Menschen direkt genutzten (begangenen, bespielten) Freiraum dar und umfassen nicht die übergeordneten Grünräume, die zwar den Bewohner/innen Wiens vielfach zu Gute kommen, aber nicht „von allen“ häufig genutzt werden. Gute, funktionierende Grünräume können aber mit diesen Kennwerten erreicht und insofern gesichert werden, als sie sich bei Nutzung angenommen und widerstandsfähig erwiesen haben.

Grünraum hat aber natürlich auch noch andere Funktionen (Klima-Verminderung der Erwärmung der Stadt; seltenere Freizeitaktivitäten - Wandern, Mountainbiken; Naturschutz-Reservoir für viele Arten; Landwirtschaft – regionale Lebesmittel). Diese Flächen fließen in die Berechnung der Kennwerte aber nicht ein. Es ist daher aus unserer Sicht notwendig, dieses Modell unter diesem Gesichtspunkt noch einmal genauer zu betrachten und eventuell zu kalibrieren.

Eva Kail

„Wien wächst, damit wird der Erhalt und Ausbau leicht erreichbarer und gut nutzbarer Grünräume immer wichtiger - wächst auch die Aufmerksamkeit der Planung?“

In diesem Statement wurde das Spannungsfeld zwischen guter Planung und mangelhafter Umsetzung des Geplanten in der Praxis angerissen. Auch wurde angemerkt, dass die Verwendung von Kennwerten für die Quantität und Qualität von Grünräumen in den Planungsdiskussionen wertvoll sind, weil auch alle anderen Infrastrukturen der Stadt im Grunde über Zahlen definiert werden. Durch eine Quantifizierung des Grünraumes pro Einwohner/in schafft man eine gewisse Gleichwertigkeit und hat ein gutes Argumentarium zur Hand. Nichts desto trotz planen wir für Menschen und das wird immer schwieriger, da die Toleranz innerhalb der Bevölkerung für andere Bevölkerungsgruppen abnimmt. Beispielsweise ist es ein enormes Problem „laute Räume“ zu finden. Darunter versteht Eva Kail Flächen, auf denen Kinder und Jugendliche laut sein dürfen und sich ohne Einschränkungen bewegen und spielen können. Aufgrund der hohen Dichte in den Blöcken fehlen diese Räume immer mehr, weil Kinder- und vor allem Jugendlärm störend empfunden wird. Ein weiterer Faktor, den es in der Planung zu berücksichtigen gilt, ist der Genderaspekt: Buben brauchen andere Frei- und Grünräume als Mädchen. Ein weiterer Aspekt ist die Partizipation der Betroffenen an den Planungsprozessen, die darauf abzielt, die Akzeptanz für das Neue aber auch die Identifikation damit zu fördern. Bei Großbauprojekten ist die Planung daher sehr gefordert, allen Bedürfnissen gerecht zu werden und alle Aspekte zu berücksichtigen.

plakat3Renate Kraft

„Bewegung, Chillen, Abenteuer, Natur erleben und erforschen: Kinder haben das Recht auf eine gesunde vielfältige Umwelt, die ihnen Freiraum für Entwicklung und Selbstbestimmung ermöglicht!“

Die Qualität von Freiräumen ist keine absolute Größe, sondern sie steht im Verhältnis zum Nutzungsumfeld. Zitiert wurde das Beispiel mit dem Ballspielkäfig zwischen zwei mehrspurigen Straßen (wie zum Beispiel beim Gürtel oder auch im 22. Bezirk) – die Jugendlichen, die diese Ballspielkäfige sehr gut annehmen, wohnen meistens auch in unmittelbarer Nähe in entsprechend dichter Wohnumgebung. Gerade für diese Nutzergruppen ist es extrem wichtig konsumfreie Bewegungsräume zu bieten! Auch Partizipation der Jugendlichen an Gestaltungsprozessen ihres unmittelbaren Umfeldes ist ein wichtiges Thema. Die Gruppe der Jugendlichen muss jedenfalls mit ausreichend Frei- und Grünräumen versorgt werden, da sonst soziale Spannungen und Vandalismus steigen. Auch müsse nach Ansicht von Kraft das Prinzip der Verkehrserziehung von Kindern und Jugendlichen überdacht werden. Sind es tatsächlich die Kinder, die „erzogen“ werden müssen, oder doch nicht eher die Autofahrerinnen und Autofahrer?

Die Stadt braucht eine Vielzahl an Spielräumen – sei es kleinstflächig oder auch großräumig. Jeder nutzbare Freiraum hat seine Berechtigung und muss erhalten bzw. neu geschaffen werden. Wichtig ist für Kinder und Jugendliche in jedem Fall die Erreichbarkeit dieser Räume – optimal ist es, wenn diese selbständig, sicher und unabhängig vom motorisierten Individualverkehr erreichbar sind.

Andrea Schnattinger

„Um die Vielfalt der Stadtnatur und die klimatische Qualität der Stadt für aktuelle und zukünftige Wienerinnen und Wiener erhalten zu können müssen wir jetzt die richtigen Handlungen setzen.“

Die Wiener Umweltanwältin legte ihren Schwerpunkt auf die (Puffer-) Wirkung der Großgrünräume Wiens auf das Stadtklima und als Reservoir für die Stadtnatur. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir auf Grünstrukturen zurückgreifen können, die in der Vergangenheit geschaffen wurden. Wir müssen darauf achten, dass diese nicht im Zuge der rasanten Stadterweiterung und Stadtverdichtung so reduziert werden, dass sie ihre Funktionen nicht mehr wahrnehmen können. Diese Strukturen sind es, die jetzt in den Hitzesommern für Abkühlung sorgen und es uns hoffentlich auch in Zukunft ermöglichen werden, dem Temperaturanstieg entgegenzuwirken und für alle ein angenehmeres Stadtklima zu sichern. Unklar ist, wie „anpassungsfähig“ die städtischen Grünräume selbst an Hitze und Trockenheitsperioden mit veränderten Regenereignissen eigentlich sind. Ein Wegfall alten Baumbestandes innerhalb der Stadt hätte jedenfalls schwerwiegende Konsequenzen für den Wärmeinseleffekt, bedenkt man die Verdunstungsleistung eines großen Baumes mit bis zu 1000 Liter pro Tag. Die großen Grünräume sind jene Reservoirs, aus welchen sich die nahezu flächendeckende Artenvielfalt Wiens speist, sichtbar wird sie durch vielfältige Grünstrukturen im bebauten Gebiet. Es ist definitiv unser aller Aufgabe bewusst ergänzende, ähnlich robuste (immerhin besteht ein Teil schon seit mehr als 100 Jahren!) übergeordnete Grünräume und hochwertige Grünstrukturen der Stadt zu schaffen bzw. zu erhalten.

Diskussion

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass urbane Grünräume im Rahmen des nötigen Transformationsprozesses zu einer nachhaltigeren Gesellschaft plakat1eine weitere Funktion erfüllen sollten: nämlich der Bevölkerung und insbesondere Kindern durch unmittelbares Erleben auch emotional begreifbar zu machen, dass Natur nicht nur Wellnesscharakter besitzt, sondern die unverzichtbare Grundlage unserer Ernährung bildet und Lebensraum für eine spannende Vielfalt anderer Lebewesen bietet, deren Existenz das eigene Leben bereichern kann. Auch die wildtiergerechte Gestaltung von Bauwerken kann ohne großen Kostenaufwand zum Erhalt der Artenvielfalt in der Stadt beitragen. Eine weitere Aufteilung von Grünraum zu „Spezialzwecken“ sollte wieder durch einen respektvollen Umgang von Nutzer/innen miteinander abgelöst werden, wobei zum Schutz von „Schwächeren“ manchmal Moderation notwendig ist.

Ziel war es jedenfalls, ein breites Spektrum an Standpunkten aus den unterschiedlichsten Bereichen zu beleuchten: unter anderem die Bevölkerungsdynamik, die Sinnhaftigkeit der Kennwerte, den nicht unwesentlichen sozialen Aspekt, die problematische Schnittstelle Planung/Umsetzung und den Aspekt der Grünraumgerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Klima, dem Naturschutz und der Sicherstellung von Grünflächen für zukünftige Generationen.

Es gibt noch viel zu tun und die Wiener Umweltanwaltschaft wird versuchen die strategische „Flughöhe“ beizubehalten und die Vielzahl an Gesichtspunkten zu einem Ganzen zusammenzuführen. Besonders wichtig ist es uns die Stadt mit ihrer hohen Lebensqualität so weiterzuentwickeln, dass auch mit einer höheren Anzahl von Bewohner/innen großzügige Grünräume, wohnungsnahe Erholungsflächen und Naturerleben in der Stadt für alle zugänglich sind.

Festveranstaltung WUA 20 Jahre +

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