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Allgemeines 

Ausbaupläne für das KKW Bohunice (12/2008)  

Bohunice liegt in der Westslowakei nahe der Stadt Trnava und befindet sich rund 120 Kilometer östlich von Wien. Bohunice wird von zahlreichen Expert/innen zu den Kraftwerken mit hohem Risikopotential gezählt. Die vier WWER-440 Reaktorblöcke sowjetischer Bauart sind als Druckwasserreaktoren mit Primär- und Sekundärkreislauf und je zwei 220 Megawatt elektrisch (MWel) Turbogeneratoren ausgelegt. Die Reaktoren produzieren eine elektrische Gesamtleistung von 1760 Megawatt (MW) und decken den Strombedarf der Slowakei zu etwa 31 Prozent (2001). Damit ist das KKW Bohunice der größte Stromerzeuger des Landes. In der Vergangenheit kam es vermehrt zu Zwischenfällen und Störfällen, zum Teil auch mit erheblicher Freisetzung von Radioaktivität.

Die ältere Baustufe V1 besteht aus zwei WWER-440/230 Reaktoren. Die jüngeren (und weiterentwickelten) V2 sind mit zwei WWER-440/213 Blöcken ausgerüstet. Die elektrische Gesamtleistung der beiden slowakischen Kernkraftwerke Bohunice und Mochovce beträgt etwa 2.640 MW. Zusammen umfassen diese KKW zur Zeit sechs Reaktoren, womit 53,4 Prozent des derzeitigen Strombedarfs des Landes abgedeckt werden.

Die Anlage Bohunice liefert seit einigen Jahren auch Fernwärme für einige Städte und Gemeinden der näheren Umgebung. Am Standort befindet sich der ehemalige A-1-Leistungsreaktor. Er wurde von Skoda ab 1958 errichtet und war nur wenige Jahre in Betrieb. A-1 hatte eine elektrische Produktionsleistung von etwas über 100 MW. Er wurde wegen großer technischer Probleme und der teilweisen Zerstörung der aktiven Zone Ende der 70er Jahre dauerhaft abgeschaltet.

In einem Bericht der EVA (Österreichische Energieverwertungsagentur) von 2001 wird die Importabhängigkeit des slowakischen Energiesektors insgesamt mit knapp 90 Prozent angegeben, wobei zwölf Prozent der elektrischen Energie aus dem Ausland eingekauft werden müssen. Lediglich minderwertige Braunkohle kann im Land selbst gewonnenen werden. Problematisch in diesem Zusammenhang ist der neuerliche Anstieg des Stromverbrauchs in den privaten Haushalten von über 30 Prozent gegenüber 1990. Der Grund liegt in den niedrigen Strompreisen für Kleinverbraucher/innen, jedoch ist auch der Energiebedarf der Industrie pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes durchschnittlich sieben Mal höher als im OECD-Mittel.


Besuch der Wiener Umweltanwaltschaft im KKW Bohunice

MitarbeiterInnen der WUA und des Instituts für Risikoforschung der Universität Wien, haben im Jahr 2005 das KKW Jaslovske Bohunice besichtigt. Die Führung, an der auch der Leiter der slowakischen Atombehörde teilnahm, begann vorerst in einem "Bohunice-Schauraum". Hier wurden Modelle des Reaktors oder auch des Betriebsgeländes erklärt. Anschließend konnte die Gruppe das Kraftwerk besichtigen. Die Sicherheitseinrichtungen erinnerten an einen Flughafen und entsprechen den internationalen Standards nach dem 11.09.2001. mehr


 

Wichtige Zahlen im Überblick

 ReaktortypLeistung (netto)
(MW elektrisch)
Baujahr/Fertigstellung
Erste Kritikalität
Netzsynchronisation
Voraussichtlich
Betrieb bis
A-1 JE A-1 108 1972 1977 stillgelegt
Block-1 Druckwasserreaktor | WWER-440/230 440 November 1978 2006 stillgelegt
Block-2 Druckwasserreaktor | WWER-440/230 440 März 1980 12/2008 stillgelegt
Block-3 Druckwasserreaktor | WWER-440/213 440 August 1984 2015 bis 2025
Block-4 Druckwasserreaktor | WWER-440/213 440 August 1985 2015 bis 2025

 

  •  Entfernung von der Stadt Wien (Luftlinie): 120 Kilometer
  • Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in der Slowakischen Republik: 31 Prozent (2001)
  • Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in der Slowakischen Republik: 53,4 Prozent (2001)
  • Jahresstromproduktion von Bohunice Block 1 bis 4: Zwölf Milliarden Kilowattstunden

Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle

Reaktorblöcke 1 und 2, Bohunice V-1

Zwischenfälle und Störfälle der INES-Kategorien 0 und 1 nach Jahr zwischen 1991 und 1998:

JahrINES 0INES 1
1991 24 4
1992 40 2
1993 42 3
1994 19 1
1995 26 3
1996 35
1997 28 1
1998 23 2

 

Reaktorblöcke 3 und 4, Bohunice V-2

Zwischenfälle und Störfälle der INES-Kategorien 0 und 1 nach Jahr zwischen 1991 und 1998:

JahrINES 0INES 1
1991 19 2
1992 20 1
1993 33 2
1994 17 1
1995 23 1
1996 19 1
1997 34
1998 15

 

Ausgesuchte Ereignisse im Detail

Am 2. Juli 1989 beschädigte ein Kurzschluss die Isolation wichtiger Stromkabel. Eine der Hauptumwälzpumpen eines Primärkreises fiel dabei aus. Durch richtige Handlungen des Personals konnte der Kern in einem sicheren Zustand überführt werden. Die CS-Atomkommission stufte den Fall als "bedeutend für die Kernsicherheit" des Reaktors ein.

In den Berichten der CS-Atomkommission wird auch die Porosität (Durchlässigkeit) der Dampferzeugerleitungen bemängelt. Mehrfach trat dort in den vergangenen Jahren radioaktives Primärkühlmittel aus. Die Dampferzeuger mussten deshalb häufig repariert werden.

Die neutroneninduzierte Versprödung der kernnahen Schweißnähte des Reaktordruckbehälters hätte laut dem Physiker Univ.-Prof. Dr. Manfred Heindler, Vorsitzender der österreichischen Atomkommission im KKW Bohunice, 1985 beinahe zu einem schweren Unfall geführt. Durch einen Schaltfehler gelangte kaltes Notkühlwasser in den heißen Reaktorkern. Die spröden Schweißnähte waren durch den plötzlichen Temperaturschock stark beansprucht und hätten versagen können. Dr. Heindler meint zu diesem Vorfall: "Das kann jederzeit noch einmal passieren, und die Schweißnähte werden von Jahr zu Jahr brüchiger."

Weiters kam es mehrfach in Stromverteilern zu Kabelbränden.

Durch ein Leck in einem undichten Tank des stillgelegten A-1 Reaktors trat radioaktives Tritium in die Umwelt aus. Kontaminiertes Wasser versickerte im Erdreich und gelangte ins Grundwasser. Der Unfall wurde von der rund 16 Kilometer entfernten Umweltstation von Trnava entdeckt. Trinkwasserproben wurden in den umliegenden Dörfern entnommen. Eine leicht erhöhte Aktivität wurde festgestellt.


 

Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Kritikpunkte

Besonders die beiden älteren Blöcke (V1) haben ein Defizit an fundamentalen Sicherheitssystemen. So besteht weder ein Containment, noch ein ausreichend dimensioniertes Notkühlsystem. Zahlreiche Komponenten des primären Kühlkreislaufs sind bei Leckagen gegenüber der Umwelt nicht ausreichend abgeschirmt (Bypassunfälle). Aufgrund der Geometrie der aktiven Zone und dem relativ schlanken Reaktordruckbehälter ist der Stahl dieser Komponenten und der kernnahen Schweißnähte versprödet. Die mechanische Stabilität des Druckbehälters kann bei geringfügigen Unregelmäßigkeiten, zum Beispiel beim An- und Abfahren oder im Notkühlfall nicht mehr sicher gestellt werden. In diesem Fall könnte der Reaktordruckbehälter zerbersten und das gesamte Reaktorinventar freilegen. Dies entspricht einem Katastrophenszenario mit ungeheuren radioaktiven Auswürfen, falls die Strukturen des Sicherheitskompartments nachgeben, die für ein Druckbehälterversagen nicht ausgelegt sind.

Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Aufgrund des hohen Gefährdungspotentials wird die für 2006 und 2008 vereinbarte Stillegung und Dekommissionierung der beiden älteren Blöcke vom KKW Bohunice als unbedingt notwendig angesehen. Zur Kompensation der Leistung der Blöcke 1 und 2 ist am slowakischen Energiemarkt die Schaffung von Ersatzlösungen nötig. Eine längerfristige Anhebung der Energiepreise - zum Beispiel von Strom - in der Slowakei ist unbedingt notwendig. Sie darf aber keinesfalls ohne soziale Abfederung erfolgen. Es handelt sich um einen komplizierten politischen Prozess, der zahlreicher flankierender Maßnahmen bedarf. Der Grund, warum Bohunice V1 nach wie vor betrieben wird, ist die tiefe Verwurzelung vom Selbstverständnis der Anlage in breiten Schichten der Bevölkerung. Neben der Errichtung von konventionellen Kraftwerken könnte durch finanzielle Anreize der EU der Einsatz von erneuerbaren Energiesystemen gefördert werden. Die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Energie-Effizienz, Kraft-Wärme-Kopplungen und Erneuerbarer Energien anstelle der laufenden Erhöhung der EURATOM-Kreditlinie wurde von der Wiener Umweltanwaltschaft jüngst auch in einem Schreiben an Bundesminister Grasser vorgeschlagen. Im Rahmen eines Know-How-Transfers böte die Umgestaltung des slowakischen Energiemarkts Möglichkeiten, innovative, westeuropäische Firmen zu involvieren. Ebenso sollte aber auch die Gründung und Erweiterung heimischer Unternehmen mit der Schaffung neuer Erzeugungskapazitäten und nötiger Infrastruktur gefördert werden.

Sicherheitssysteme

Alle Reaktorblöcke besitzen ein Notkühlsystem, welches allerdings im Falle der Blöcke 1 und 2 äußerst schwach dimensioniert ist. Die Blöcke 3 und 4 verfügen darüber hinaus auch über Kondensationstürme. Sie sollen beim Austreten von Hochdruckdampf innerhalb des hermetischen Abschlusses um den Reaktor den Druck abbauen. 1999 wurde die Nachrüstung von Bohunice Block 2 bei der Kontroll- und Leittechnik durch die Firma Siemens abgeschlossen. Dabei handelte es sich um die erste Umrüstung eines osteuropäischen Reaktors auf westliche Steuertechnik in Bezug auf die Elektronik. Die beiden älteren Blöcke (V-1) wurden einem Erneuerungsprogramm von 120 Millionen Euro Volumen unterzogen. Die letzte Phase wurde im Januar 1999 vom Konsortium REKON, bestehend aus dem slowakischen Kernforschungsinstitut VUJE TRNAVA a.s. und Siemens termingerecht abgeschlossen.


 

Forderungen der Europäischen Union

Ende 2001 sicherte die EU einen Fonds in der Höhe von zirka 120 Millionen Euro zu, der die von dieser Seite geforderte Stilllegung der Blöcke 1 und 2 in den Jahren 2006 und 2008 teilfinanzieren soll. Die Dekommissionierung der gesamten Anlage wird von der Slowakei auf etwa 300 Millionen Euro geschätzt. Der EU-Beitritt der Slowakei wurde bisher von der Einhaltung des Zeitplans zur Stilllegung der Blöcke 1 und 2 (V1) (2006 und 2008) und der Errichtung eines entsprechenden Fonds mit Mitteln der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) verknüpft. In den EU-Geldern sind auch Kosten für soziale Abfederung und Umschulung des Betriebspersonals enthalten: Das KKW ist Arbeitgeber von mehreren tausend Menschen in der Region. Die slowakische Regierung geht allerdings davon aus, die Kosten der erfolgten Nachrüstung von V-1 (mehr als 120 Millionen Euro) erst durch einen Betrieb bis mindestens 2010 erwirtschaften zu können. 


 

Verwendete Quellen und Links

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