Marion Jaros, Wiener Umweltanwaltschaft

Liebe auf den ersten Blick
Mit dreieinhalb Jahren sah ich auf einem Spaziergang mit meinen Eltern zum ersten Mal ein Tagpfauenauge. Ruhig auf einem Heuhaufen sitzend, wärmte es sich in den ersten Strahlen der Frühlingssonne. Heute noch erinnere ich mich an den Anblick des im Sonnenlicht tiefrot leuchtenden Falters. Ich blieb fasziniert stehen und verliebte mich in die Tiergruppe der Schmetterlinge.

Meine Großmutter sagte immer, dass die Natur ein ständiges „Täuschen und Tarnen“ und ein „Fressen- und Gefressen-Werden“ sei. Aber die Schmetterlinge auf dem Sommerflieder vor unserem Gemeindebau waren waffenlos wehrlose Wesen. Sie stachen nicht, sie bissen nicht und übertrugen keine Krankheiten. Sie taten niemandem etwas zuleide, sondern sie bestäubten Blüten und gaben mit ihren Raupen einer Vielzahl von Tieren Nahrung. Zugleich waren sie auffallend bunt und unternahmen keinerlei Anstrengungen, sich vor ihren Feinden zu verstecken. Und trotzdem waren sie – zumindest damals noch – so zahlreich.

Auch wenn ich es damals nicht bewusst reflektieren konnte, so waren die Schmetterlinge für mich ein sichtbarer Beweis, dass die Natur auch wehrlose, zerbrechliche Schönheiten hervorbringt, ohne dass diese im Kampf ums Überleben untergehen.

Verwandlungskünstler beobachten

wolfsmilchschwaermer kleinMit acht machte ich mit meiner Familie Urlaub auf Sardinien bei meinem großen Cousin Ben. Als Zoologen gefiel ihm meine große Begeisterung für Schmetterlinge. Zum Abschied schenkte er mir deshalb eine Puppe vom Wolfsmilchschwärmer, die er bei Gartenarbeiten aus Versehen ausgegraben hatte.

Und so lag die unscheinbar braune Schmetterlingspuppe zwei Wochen lang in einem mit etwas Sand und einem Zweig gefüllten Marmeladeglas auf meinem Schreibtisch. Jeden Morgen starrte ich in das Glas, ob der Falter endlich schlüpfen würde, aber nichts geschah. Ich hatte schon aufgegeben, als eines morgens tatsächlich der bereits entfaltete Schmetterling am Zweig hing.

Wie hatte der große Falter nur in der Puppe Platz gefunden? Das beschäftigte mich fortan und so begann ich, in meiner Umgebung nach Raupen zu suchen, um ihre Entwicklung bis zum Schmetterling beobachten zu können. Damals gab es am Rande von Wien noch viele Gstett´n und wilde Brennnesselfelder voller Raupennester vom Kleinen Fuchs und von meinem Liebling, dem blutroten Tagpfauenauge.

Meine erste Zucht

tagpfauenauge kleinMit meiner besten Freundin baute ich aus Holzleisten und Fliegennetz meinen ersten Zuchtkasten, schnitt im April gleich mehrere Raupennester aus dem Brennnesselfeld auf der gegenüber liegenden Straßenseite, wässerte die Stängel ein und los ging es. Schnell stellte ich fest, dass in jedem einzelnen der winzigen Blätternester über 100 winzigste Räupchen versteckt waren, die rasch wuchsen. Die 800 gesammelten Raupen waren für meinen Zuchtkasten also deutlich zu viele und ich musste die allermeisten wieder zurück an den Fundort bringen. Aber die etwa hundert verbliebenen entwickelten sich gut und ich musste am Schluss zweimal täglich für Futternachschub sorgen. Im Juni schlüpften dann auf unserem kleinen Balkon bis zu 20 Falter täglich. Sie setzten sich, wenn ich den Zuchtkasten öffnete, vor ihrem Abflug – fast wie ein kleines Dankeschön – noch eine Weile auf unsere Balkonblumen. Das begeisterte sogar meine anfangs skeptische Mutter. So war eine neue Leidenschaft geboren, die mir eine weitere Seite der Natur erschloss, nämlich ihre scheinbar unerschöpfliche Wandlungsfähigkeit. Dass sich die schwarzen und stacheligen Raupen des Tagpfauenauges innerhalb nur einer Stunde in knallgelbe Puppen verwandeln konnten, die im Durchlicht bloß eine durchsichtige Flüssigkeit zu enthalten schienen, war schon faszinierend. Dass sich aber aus dieser Flüssigkeit in nur zehn Tagen ein leuchtend roter, flugfähiger Schmetterling formte, das erschien mir als echtes Wunder. Und so wurden die Schmetterlinge zum zweiten Mal Hoffnungsträger für mich. Diesmal für die Gewissheit, dass die Natur uns manchmal auch unvermittelt Flügel wachsen lassen kann.

Mit zehn stand für mich fest, dass ich als Erwachsene in den Urwald gehen würde, um in den Baumkronen unbekannte, tropische Schmetterlingsarten zu entdecken. Doch dann bemerkte ich, dass die Schmetterlinge vor meiner Haustür immer weniger wurden und sie hier bei uns mehr Schutz brauchten. Und so entschied ich, als Biotechnologin gegen die Vernichtung und Vergiftung ihrer Lebensräume anzukämpfen. Die Schmetterlinge selbst traten dabei schließlich in den Hintergrund.

Ideen für ein Schmetterlingsprojekt mit Kindern

schmetterlingswiese kleinErst im Jahr 2004, als fertige Biotechnologin der Wiener Umweltanwaltschaft, kam mir bei einem Gespräch mit meinen Kolleg*innen die Erkenntnis, dass fast jeder von uns durch eine Reihe schöner Kindheitserfahrungen in der Natur zu seinem Engagement für den Umweltschutz gefunden hatte. In der heute typischen Kindheit sind solche Erfahrungen des freien Forschens in der Natur jedoch selten geworden. Wie sollen junge Menschen von heute da den Umweltschutz als ihre Herzensangelegenheit entdecken? Und so entstand die Idee, ein Schmetterlingsprojekt zu initiieren, bei dem Kinder zumindest ein bisschen etwas von dem erleben können, was mich als Kind so fasziniert und begeistert hatte.

Im Rahmen der Projektentwicklung konnten wir die Schmetterlingswiese im Wiener Donaupark initiieren und ich begann nach fast zwanzig Jahren Pause, wieder Schmetterlinge zu züchten. staffelholz kleinDenn ich wollte den circa 1000 Kindern, die jährlich zu uns auf die Wiese kommen, unbedingt ein paar der schönsten Schmetterlinge Österreichs hautnah zeigen, sowie ihre bunten, großen und teilweise sehr bizarren Raupen. Meine Hoffnung war es, dass sie die hautnahe Begegnung mit all den kleinen Tieren wie damals mich dazu animiert, in ihrer Wohnumgebung selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. So können die Kinder eine stärkere Beziehung zur Natur und zu sich selbst aufbauen und treten vielleicht auch einmal für ihren Schutz – in beiderlei Sinn - ein.

Inzwischen gibt es das Schmetterlingsprojekt VANESSA seit 15 Jahren und es hat 2019 mit einer Videoeinreichung auch ein „Goldenes Staffelholz“ als eines der besten Projekte Wiens gewonnen.

Die Liebe zur Natur in der Corona-Krise

schmetterlinge netz kleinViele Schulen sind inzwischen mit ihren Klassen Stammgäste in unserem Projekt. Aber „VANESSA“ hatte neben den besonderen Naturerfahrungen für Kinder und den teilweisen Lebensraumverbesserungen für Wildtiere in Wien, noch einen weiteren, ganz persönlichen Benefit. Denn die langjährige Zucht der verschiedenen Schmetterlingsarten erweiterte auch meinen Erfahrungsschatz zu den Bedürfnissen verschiedenster Falter an ihren Lebensraum. Dieser hat auch mitgeholfen, unseren eigenen Garten in der Wachau möglichst artenreich zu gestalten und eine „tierische“ Fotosammlung aufzubauen.

2020 musste unser VANESSA-Projekt durch die Corona-Krise leider ausfallen.

Meine lieben Kolleg*innen Iris Tichelmann und Wilfried Doppler haben „unsere“ Schmetterlingswiese im Coronajahr 2020 dazu genutzt, Videos zur Wiener Stadtnatur mit wertvollen Tipps zur Förderung urbaner Artenvielfalt zu drehen.

Und ich versuchte, meinen Erfahrungsschatz zur Förderung von Schmetterlingen im eigenen Garten über Social Media mit anderen Menschen zu teilen. Meine Beiträge fanden in einer Zeit, in der viele ihren Garten besonders schätzen lernten, unerwartet viel Resonanz. Und so wurde ich von verschiedenen Herausgebern gefragt, ob ich nicht für ihre Magazine oder Zeitschriften schreiben möchte, wie z. B. für die Stiftung Blühendes Österreich.

In diesem BLOG sollen diese Beiträge an einer Stelle zusammengeführt werden, in der Hoffnung, dass sie Euch inspirieren und wir zusammen dafür sorgen, die rapide abnehmenden Schmetterlinge zumindest vor dem Aussterben zu bewahren, bis hoffentlich bald ein allgemeines Umdenken einsetzt und wir der Natur wieder mehr Raum geben.

Links für Lebensretter

Im Beitrag „Ein Loblied auf die Raupe“ im Magazin „Der Kleingärtner“ stelle ich einige für den Garten typische Schmetterlingsarten und ihre Raupen vor, sodass sie als etwas Besonderes erkannt, gefördert und geschützt werden können.

Im Beitrag "Schmetterlingspuppen - Wunder in der inneren Wandlung" geht es um die spannenden Überlebens-Strategien von Schmetterlingspuppen, die sie z. B. bis zu 20 Jahre lang ohne Nahrung überleben lassen.

Wie gewinnen wir Rasenliebhaber für die Blumenwiese? Eine Spurensuche!, Magazin "Der Kleingärtner"

Hier findest du als Gartenbesitzer/in vielleicht einen verschlungenen Weg in dein eigenes wildes Blumenparadies, Magazin "Der Kleingärtner"

Im Beitrag „Der Garten als Arche für bedrohte Tiere“ stelle ich im Naturmagazin von Blühendes Österreich meinen eigenen Naturgarten in der Wachau vor und beschreibe, was wir tun können, um speziell im eigenen Umfeld vorkommende Arten zu fördern.

Wer Schmetterlinge schützen will, sollte auch etwas über ihre kunstvollen Eier wissen

Fünf gute Gründe, warum Kinder die hautnahe Berührung mit der Natur lieben und brauchen.

Der Beitrag „Lockangebote für den quirligen Schwalbenschwanz“ beschäftigt sich mit den Bedürfnissen eines der schönsten Falter Österreichs an seinen Lebensraum und seiner Vorliebe für Gemüsegärten.

Im Beitrag „Der Große Gabelschwanz – ein wehrhafter Verwandlungskünstler“ wird eine der spannendsten und verwandlungsfähigsten Raupen Österreichs vorgestellt. Video

Im Beitrag "Die zwei Gesichter des zarten Landkärtchens" wird einer der zierlichsten Edelfalter Österreichs genau beschrieben.

Der Beitrag "Das Kleine und das Ligurische Nachtpfauenauge – die kleinen Brüder vom großen Wiener" beschreibt die unglaublichen Fähigkeiten der "kleinen Brüder" vom imposanten Wiener Nachtpfauenauge.

Im Beitrag "Wer rettet den Großen Fuchs" wird die Seltenheit und Schutzbedürftigkeit dieses schönen Falters beschrieben.

Mit dem Totenkopfschwärmer stelle ich jenen Schmetterling vor, bei dem ich mich als einzigem Schmetterling überhaupt bei der ersten Begegnung gefürchtet habe.

Das Tagpfauenauge als Symbol für Kooperation und Wandel

Der Segelfalter - Meister dreier Disziplinen

Betrachtungen zur Giftigkeit von Pflanzen und Tieren anhand des Wolfsmilchschwärmers

Anhand der Ausbreitung eines schönen Japaners in Österreich ein paar Gedanken zu fremden Arten, auch über die Bepflanzung unserer eigenen Gärten.

Hier erfährst du etwas über die spannendsten Überlebensstrategien aus der Welt der Raupen.

Weitere Porträts folgen in Kürze!

Und hier noch ein Schmetterlings- und ein Raupenposter als erste Bestimmungshilfe zum Download.

VIEL VERGNÜGEN und ein GROSSES DANKESCHÖN an alle, die mithelfen, die vielfältigen kleinen Schönheiten des Planten zu bewahren!

© Fotos: Staffelholz: Bubu Dujmic, Schmetterlingswiese und Schmetterlingsnetz: Alfred Brezansky, alle anderen Fotos: Marion Jaros

Bildbeschreibung jede Zeile von links nach rechts: Admiral, C-Falter, Wegerich-Scheckenfalter, Großer Fuchs, Hauhechelbläulinge, Himmelblauer Bläuling, Kleiner Fuchs, Kleines Nachtpfauenauge, Landkärtchen, Raupen Wiener Nachtpfauenauge, Raupen Schwalbenschwanz, Raupen Totenkopfschwärmer, Schachbrett, Schwalbenschwanz, Segelfalter, Wiener Nachtpfauenauge

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