Iris Tichelmann, Wiener Umweltanwaltschaft

An einem warmen Sommerabend Anfang Juli waren mein Freund Leo und ich Abendessen. Der Heimweg sollte eine Überraschung bereithalten: aus einem kleinen Spaziergang wurde ein langer Abend voller Fledermäuse und Vögel. Durch unsere Entdeckung konnten ihre bedrohten Brutplätze und Quartiere in luftiger Höhe, also die „Zimmer mit Aussicht“, erhalten werden.

Brutplätze kartieren bedeutet Tiere schützen

mauersegler kleinWir verließen das Restaurant zur Dämmerungszeit, als wir die charakteristischen Schreie von Mauerseglern hörten. Mit einem geübten Blick nach oben entdeckten wir die Vögel sofort. Ihre sichelförmige, schlanke Silhouette und der schnelle, elegante und waghalsige Flugstil sind uns gut bekannt, denn Leo und ich helfen schon seit 2017 beim Kartieren der Brutplätze im Rahmen des Mauersegler-Projekts der Stadt Wien - Umweltschutz mit.

Mauersegler sind Gebäudebrüter, das bedeutet, dass sie Spalten und Löcher an Gebäuden nutzen um zu brüten. Das Kartieren, also das Erheben und Eintragen der Brutplätze auf einer Karte, ist für den Schutz der Vögel sehr wichtig, weil die Spalten und Löcher an Fassaden bei Renovierungsarbeiten oftmals (ohne böse Absicht) verschlossen werden. Die Brutplätze der Mauersegler sind aber durch das Wiener Naturschutzgesetz geschützt und müssen unbedingt an Ort und Stelle erhalten werden, weil die Vögel immer wieder zu denselben Spalten an denselben Gebäuden kommen, um ihre Jungen aufzuziehen.

Da Mauersegler Zugvögel sind, verbringen sie den Winter in Afrika und nur die Zeit von Mai bis August in Wien. Wir müssen die Brutplätze also in diesen Monaten kartieren, damit wir das ganze Jahr über wissen, welche Spalten sie nutzen.

Mit Geduld zur erfolgreichen Vogelbeobachtung

Es ist oft nicht einfach die Verstecke der Mauersegler aufzuspüren, weil die Einflugslöcher klein sind und hoch oben, z.B. unter dem Traufenblech, liegen. Erst wenn ein Mauersegler am Abend zu goergengasse nistplatz loch pfeil kleinseinem Brutplatz zurückkehrt um seine Küken zu füttern, kann man das Zuhause der Vögel entdecken. Doch auch dann ist höchste Konzentration gefordert, denn die Mauersegler sind unglaublich schnell.

Zum Mauersegler Kartieren brauche ich vor allem viel Geduld und bequeme Schuhe, denn es kann schon vorkommen, dass ich eine Fassade über zwei Stunden lang beobachten muss, bis ich endlich einen Ein- oder Ausflug sehe. Dieses Ereignis führt dann zu großen Glücksgefühlen! ;-)

Wer also im Frühling oder Sommer Leute entdeckt, die am Abend ganz konzentriert stundenlang Fassaden und Dächer anstarren und nach einem plötzlichen Jubelschrei zufrieden weiterziehen, muss sich keine Sorgen machen - das sind Mauersegler-Kartierer*innen, die sind harmlos.

Eine aufregende Entdeckung

goergengasse fledermausquartier beschriftung kleinNun aber zurück zu dem warmen Sommerabend: Die kreischenden Mauersegler führten uns zu einem großen Wohnhaus in der Görgengasse. Die Sanierungsarbeiten an dem Gebäude hatten noch nicht begonnen, aber das Gerüst war bereits aufgestellt und die Fassade eingenetzt. Mit Schrecken stellten Leo und ich fest, dass einige Mauersegler immer wieder zu dem Gebäude flogen, aber dann, kurz vor dem Gerüst, enttäuscht wieder abdrehten. Wollten sie zu ihren Brutplätzen? Wir beschlossen uns das Gebäude von allen Seiten genauer anzusehen. Und tatsächlich: Im Innenhof beobachteten wir nicht nur mehrere Einflüge von Mauerseglern, sondern auch von Spatzen und den Ausflug von Fledermäusen! Nach zwei Stunden aufmerksamer Beobachtung, einem Zusammenstoß mit einem wild fliegenden Hirschkäfer und der Versorgung sämtlicher Wiener Gelsen (es juckt mich jetzt noch, wenn ich an den Abend zurückdenke), hatten wir genug Informationen gesammelt.

Am nächsten Morgen meldeten wir unsere Beobachtungen meinem Kollegen Ferdinand Schmeller, der bei der zuständigen Behörde (Stadt Wien - Umweltschutz) arbeitet. Er ist Experte für Gebäudebrüter. Ohne zu zögern verständigte er sofort die Hausverwaltung, klärte über die geschützten Arten auf und sorgte dafür, dass die nötigen Maßnahmen getroffen wurden.

Und heute kann sich das Ergebnis sehen lassen! Alle Brutplätze und Fledermausquartiere, die von den Arbeiten betroffen waren, wurden erhalten und zusätzlich wurden weitere geschaffen. Während die renovierte Fassade in neuem Glanz erstrahlt, stehen den Tieren ab jetzt sogar doppelt so viele Nistplätze zur Verfügung.

Leo und ich können es kaum erwarten, wenn die Mauersegler im Frühling wieder nach Wien kommen. Dann werden wir zur Görgengasse spazieren und schauen, welche neuen Brutplätze „unseren“ Mauerseglern am besten gefallen.

Weitere Informationen:

Baumaßnahmen für Wildtiere, WUA
Stadt Wien – Umweltschutz 

© Fotos: Iris Tichelmann, Mauersegler: Ferdinand Schmeller

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