Ramona Cech, Wiener Umweltanwaltschaft
Am 17.September 2022 fand trotz zum Teil klirrender Kälte die weltweite Müllsammelaktion World clean up day statt, in Wien beispielsweise an der Donau und Donauinsel. In Österreich wurde dieses Event von den “Green heroes” organisiert (an dieser Stelle ein großes Dankeschön). Ausgestattet mit Warnweste, Greifzange, Handschuhen, Müllsäcken und einer Dose für Zigarettenstummel nahm ich voller Elan daran teil.
Gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten machte ich reichlich Beute. Abschließend wurde der gesamte gesammelte Abfall getrennt, gezählt, gewogen und letztendlich getrennt entsorgt.
Zwischen 12:00 -14:15 Uhr waren 141 Freiwillige in Wien unterwegs und haben in dieser kurzen Zeit 428 Kilogramm Abfall gesammelt.
Darunter befanden sich:
- 705 Dosen
- 174 PET Flaschen
- 199 Glasflaschen
- 28.250 Zigarettenstummeln
- sowie auch Sperrmüll wie beispielsweise ein Bürosessel
Die eifrige Gruppe, bei der ich dabei war, startete bei der U6-Station Neue Donau am Ost-Ufer der neuen Donau. Meine Kleingruppe und ich kamen keine 100 Meter weit und schafften es nicht einmal bis zur Donauinsel selbst, da bereits dieses kleine Areal vollgepflastert war mit Zigarettenstummeln. Stummel für Stummel pickten wir auf, bevor es die Wildtiere tun und sich vergiften. Ein sehr trauriges Bild, wo es doch schon längst mobile Aschenbecher und vor Ort alle paar Meter Entsorgungsmöglichkeiten wie Aschenrohre gibt. Zigarettenstummel machen das häufigste Abfallprodukt weltweit aus (jährlich 5,5 Billionen Stummel, 1,2 Millionen Tonnen) und für 2025 wird ein Anstieg um 50 % erwartet. Eine Berliner Studie zeigte, dass sich pro m² in Bahnhofsnähe etwa 50 Tschickstummel befinden.
Die sachgemäße Entsorgung der Zigarettenstummel würde Raucher*innen selbst also nicht viel Zeit kosten, das Aufräumen hinterher ist aber zeitintensiv und kostspielig - insbesondere, wenn bereits Vegetation die Stummeln überwuchert. Das achtlose Fallenlassen birgt auch Brandgefahr - besonders erschreckend und risikoreich im heurigen, von Trockenheit geprägten Sommer, der unsere geliebte Donauinsel braun färbte. Zigarettenstummel-Hotspots fanden wir unter Brücken und Parkbänken, auf der Liegewiese, am Wegrand und am Ufer.
Die Toxizität der Zigarettenreste ist enorm. Ein einziger Stummel vergiftet bis zu 60 Liter Wasser und. 4.000 - 7.000 Chemikalien verbleiben im Filter, der NICHT biologisch abbaubar ist (Cellulose-Acetat). Die Filter zerfallen erst nach 15 Jahren zu Mikroplastik, einer weiteren Umweltbelastung. Pflanzen können dadurch in ihrem Wachstum gehemmt werden, Schwermetalle ausgewaschen und in unserer Nahrungskette angereichert werden. Auch Amphibien, Wasserorganismen wie Fische (1 Stummel pro Liter Wasser tötet 50 % der sich darin befindlichen Fische), Wasserschnecken und andere, kleine Wasserorganismen (1 Stummel pro 1000 Liter richtet gravierende Schäden an) und Bodenorganismen werden massiv geschädigt. Auch Kleinkinder und Haustiere wie Hunde können sich bei oraler Aufnahme tödlich vergiften. Kleinsäuger tragen neurologische Schäden davon, Wachstum, Verhalten und Fortpflanzung verschiedenster Organismen werden beeinflusst.
Wir fanden sogar ein Smartphone, das am Ufer unter der Floridsdorfer Brücke entsorgt und ein Teil davon direkt in der Donau versenkt wurde. Die Herstellung eines Smartphones ist enorm energie- und treibhausgasintensiv und enthält recyclingfähige Metalle sowie Schadstoffe. All diese gedankenlose Verschmutzung, dieses achtlose Wegwerfen ohne Rücksicht auf andere Mitlebewesen machte mich sehr traurig, während die Vielzahl freiwilliger Aufräumerinnen, die Wind und Kälte trotzten, mich wieder hoffnungsvoll stimmten und meinen Glauben an die Menschheit wiederherstellen.
Nachdem die große Sammelaktion bereits beendet war, hat sich mein kleines, aber motiviertes Grüppchen noch zur Donauinsel vorgewagt. Hier sah es leider sogar noch schlimmer aus (Achtung, dieser Müll ist nicht in den oben genannten 428 Kilogramm inkludiert!). An manchen Stellen bestand der Boden nur noch aus Zigarettenstummeln.
In baum-und strauchreicheren Bereichen und Wäldchen lagen unzählige Flaschen aus Glas und Plastik und Getränkedosen, allen voran Bierdosen, die zu tödlichen Fallen für Insekten, Eidechsen und andere Kleintiere werden können (70 tote Käfer pro Glasflasche, 22 Eidechsen!). Auch Sperrmüll, unter anderem alte, kaputte Fahrräder, wurden im Wäldchen der Donauinsel entsorgt. Ebenso Plastiksackerl, Plastikschnüre und anderer Kunststoffabfälle, welche große Gefahren für die Tierwelt darstellen. Entweder verfangen sie sich darin oder sie verschlucken Plastik, was zu einem qualvollen Tod führt.
Es ist immer noch besser, etwas im Restmüll, als einfach in der Natur zu entsorgen. Zigarettenstummel gehören in den Restmüll oder in die auf öffentlichen Plätzen aufgestellten Aschenröhren. Der Königsweg ist aber natürlich die getrennte Entsorgung von Wertstoffen. Das Mist ABC kann bei Unsicherheiten schnell weiterhelfen
Es finden zahlreiche Kampagnen und Informationsveranstaltungen der MA 48 (z. B. kürzlich das Mistfest) statt. Die sogenannten Waste Watcher können Littering als Übertretung des Wiener Reinhaltegesetzes bestrafen. Dennoch kann das massive Abfallproblem nicht von ein paar wenigen Magistratsabteilungen im Alleingang bewältigt werden, vielmehr erfordert es gemeinsame Anstrengungen und die Zusammenarbeit vieler Freiwilliger und aller Bürger*innen.
Die Teilnahme an Aufräumaktionen mit Dokumentation aller gesammelten Abfälle und abschließender medienwirksamer Verbreitung kann dabei helfen, die Problematik präsenter zu machen. Es ist ein tolles Gefühl, selbst aktiv etwas zur Verbesserung der Umwelt beizutragen, besonders wenn die eigene Mithilfe “messbar” ist und Gewicht und Anzahl aller Abfälle erfasst werden. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Begeisterung auch Kinder beim Müllsammeln dabei waren. Sie werden dabei für Umweltthemen sensibilisiert und sind stolz, auch schon ihren Beitrag zu leisten, die Welt lebenswerter und ein kleines bisschen besser zu machen.
Abschließend eine Bitte an alle Leser*innen: Verbreiten Sie Ihr Wissen und Informationen zu ordnungsgemäßer Abfallentsorgung in Ihrem Umfeld. Sehen Sie nicht tatenlos zu, wenn jemand vor Ihren Augen Abfall fallen lässt. Manchen Menschen sind die Auswirkungen und mangelnde Abbaubarkeit nicht bewusst, manchen ist es schlicht egal. Wir dürfen das nicht tolerieren.
2025 (Novelle des Abfallwirtschaftsgesetztes) kommt endlich der österreichweite Einwegpfand für Getränkeflaschen und Dosen und ein vermehrtes Mehrwegangebot (Mehrwegquoten) für sämtliche Getränkekategorien in allen Geschäften mit einer Verkaufsfläche über 400 m². Die WUA hat sich neben vielen anderen Organisationen dafür stark gemacht und begrüßt vor allem den Ausbau des Mehrwegsystems, welches unseren Ressourcen-, Energieverbrauch verringert. Dies lässt die Hoffnung aufkeimen, Littering endlich zu verringern.
Weiterführende Informationen der WUA zu Zigarettenstummel
Quellen:
- Torkashvand et al. 2020: Littered cigarette butt as a well-known hazardous waste: A comprehensive systematic review
- Green et al. 2014: Littered cigarette butts as a source of nicotine in urban waters
- Inside Graz 2022: Zigarettenstummel: Riesiges Umweltproblem für Mensch und Tier
- Green et al. 2022: The ecological impacts of discarded cigarette butts
- Cardoso et al. 2018: The exposure to water with cigarette residue changes the anti-predator response in female Swiss albino mice
- Dobaradaran et al. 2021: Environmental fate of cigarette butts and their toxicity in aquatic organisms: A comprehensive systematic review
- Kim et al. 2016: Acute fatal pericardial effusion induced by accidental ingestion of cigarette butts in a dog
- Green et al. 2019: Cigarette butts have adverse effects on initial growth of perennial ryegrass (gramineae: Lolium perenne L.) and white clover (leguminosae: Trifolium repens L.)
- Ercan et al. 2016: Life Cycle Assessment of a Smartphone
© Fotos: Ramona Cech