Marion Jaros, Wiener Umweltanwaltschaft
Schöne Kindheitserinnerungen
Ich liebe den würzigen Honigduft des Schmetterlingsstrauchs (Buddleja davidii). Erinnert er mich doch unwillkürlich an die Sommer meiner Kindheit. Unzählige glückliche Stunden habe ich vor unserem Wiener Gemeindebau damit zugebracht, das bunte Treiben dutzender Falter zu bestaunen. Als ich viele Jahre später in der artenreichen Wachau einen Garten mein Eigen nennen durfte, habe ich als eine der ersten Pflanzen auch Buddleja gesetzt.
Seit damals hat sich allerdings mit jedem Jahrzehnt deutlicher herausgestellt, dass Buddleja sich als Pionierpflanze an Flussufern, in Steinbrüchen oder auf Bahndämmen und Lawinentrassen invasiv verhält und alles überwuchern kann. Sind solche Flächen wiederkehrenden Störungen wie Überschwemmungen oder Lawinen ausgesetzt, dann ersetzt Buddleja dauerhaft eine Vielfalt von Pionierpflanzen. Deshalb findet man Buddleja inzwischen auf den sogenannten „Schwarzen Listen“ vieler Länder, wie Großbritannien oder Schweiz, aber auch auf der Liste der Europäischen Union. In Österreich haben die Bundesländer Tirol und Steiermark die Pflanze auf ihre Schwarze Liste gesetzt.
Hinzu kamen Vorwürfe, dass Buddleja den Faltern mit wenig Nektar und stattdessen mit süchtig machenden Glykosiden aufwarte, wodurch diese geschwächt und taumelig leichte Beute für Fressfeinde würden.
So habe ich mich gefragt, ob ich die Sträucher aus meinem Garten entfernen soll. Diese Entscheidung wollte ich nicht ohne eine gründliche Recherche treffen, um den Faltern in unserem Garten nicht ungerechtfertigt eine bei ihnen sehr beliebte Nektarquelle zu entziehen.
Univ.-Prof. Konrad Fiedler hat mich dankenswerter Weise mit wissenschaftlicher Literatur und Anmerkungen unterstützt. Die gewonnenen Erkenntnisse möchte ich hier gerne mit Euch teilen.
Hohes Vermehrungspotential
Buddleja davidii stammt aus China und dem tibetischen Hochland. Um 1870 wurde der lila blühende Strauch von Mönchen nach Europa gebracht und zierte bald viele Gärten. Bereits nach dem zweiten Weltkrieg fiel auf, dass Buddleja die Schutthalden zerbombter Städte als Pionierpflanze besiedelte. Buddleja wächst extrem schnell und wird knapp 40 Jahre alt. Ein einzelner Strauch kann jährlich 3 Millionen kleiner Samen produzieren, welche bis zu Jahrzehnten im Boden keimfähig bleiben. Durch Wind und Wasser werden sie zudem über weite Strecken verbreitet. Darüber ist die Pflanze bis minus 20 Grad winterhart und kann sich durch Neutriebe aus Stamm und Wurzelstücken auch vegetativ vermehren. Schädlinge und Krankheiten befallen Buddleja-Sträucher – nicht zuletzt wegen seiner leichten Giftigkeit – praktisch nicht. In Kombination mit ihrem invasiven Verhalten ist dies keine gute Nachricht.
Pflanzen(über)leben in der Klimakrise
Insgesamt macht die Klimakrise vielen heimischen Pflanzen das (Über)leben schwer. Laut einer Studie der Stanford Universität (Wilfried Thuiller et al, PNAS 2005, Climate change threats to plant diversity in Europe) würde ein ungebremstes Fortschreiten der Klimakrise bis 2080 bereits die Hälfte von über 1300 untersuchten, europäischen Pflanzenarten mit dem Aussterben bedrohen. Von ihnen abhängige Tierarten könnten damit ebenfalls großteils verschwinden. Ein aktuelles Beispiel ist die rasche Ausbreitung des Eschentriebsterbens. Eschen sind eine wichtige Futterpflanze für Raupen vieler Falterarten und werden vielerorts selten. Bei einigen Falterarten ist inzwischen der Umstieg auf einen Neophyten, nämlich den Gewöhnlichen Flieder zu beobachten. Ein Beispiel ist das Wiener Nachtpfauenauge. Neophyten könnten also auch zu wichtigen Ersatzpflanzen für heimische Arten werden, welche durch Klimakrise, Schädlinge und Pflanzenkrankheiten zunehmend aus unseren Ökosystemen verschwinden.
Neue Pflanzen- bringen neue Tierarten
Mit neuen Pflanzen können zudem auch neue Tierarten bei uns heimisch werden, die eine Bereicherung sind. So ist mit dem Setzen von Zürgelbäumen als einem widerstandsfähigen Straßenbaum in Wien auch der hübsche Zürgelbaumschnauzenfalter heimisch geworden. Der in Wien streng geschützte Schwarze Trauerfalter hat mit dem fremdländischen Spierstrauch in unseren Parks und Gärten eine neue, wichtige Lebensgrundlage gefunden. Auch die Robinie ist inzwischen für Falter durchaus interessant geworden, etwa für den seltenen Schwarzbraunen Trauerfalter oder den farbenprächtigen Braunen Bären.
Damit soll der Robinie nicht das Wort geredet werden. Univ.-Prof. Fiedler merkte in unserer Diskussion zum Thema dennoch an, dass im Laufe der Zeit die meisten „Neophyten“ in den Wirtskreis der örtlichen Pflanzenfresser integriert werden. Das geht manchmal schneller und manchmal langsamer und hängt auch davon ab, ob schon Pflanzenfresser vorhanden sind, die an Gewächsen fressen, die mit den betreffenden Neophyten (chemisch) verwandt sind. Je „isolierter“ eine Pflanzenart in der Flora ist, wie etwa der Götterbaum, desto seltener wird sie befressen.
Klimaschutz ist Artenschutz
Insgesamt ist es leider ein nicht mehr aufzuhaltender Prozess, dass in den nächsten Jahrzehnten Flora und Fauna große Veränderungen erleben werden. Besonders wertvolle Flächen werden wir nur durch besondere Pflege in ihrer aktuellen Vielfalt erhalten können. Wir sind es, welche mit hohen Treibhausgasemissionen das Klima für unsere Ökosysteme gerade stark verändern. Das Verschwinden von Arten ist und wird schmerzlich sein. Die Ausbreitung fremder Pflanzen kann die Verdrängung heimischer Arten beschleunigen, aber die Funktion heimischer Arten teilweise auch ersetzen. Fremde Arten sind also nicht per se schlecht und manche, wie die Walnuss, erbringen für Wildtiere wie für uns selbst einen hohen Nutzen. Buddleja bietet heimischen Faltern jedenfalls im Vergleich mit anderen auswildernden Sträuchern und Bäumen wie Forsythie, Götterbaum, Mahonie oder Goldregen einen höheren Gewinn.
Freilich wäre es schön, wenn wir unser Klima und die seit Jahrtausenden daran angepasste, reichhaltige Flora und Fauna möglichst gut erhalten könnten. Dafür müssen wir neben dem Schutz von Lebensräumen aber auch mit der Energiewende und nachhaltigen Lebensstilen weltweit ernstmachen. Aktuell steigt die Konzentration von CO2 und Methan in der Atmosphäre immer rascher an. Das trocknet unsere Böden und ganze Landstriche zunehmend aus. Darauffolgende Starkregenereignisse rinnen auf dem steinharten Untergrund häufig ungenutzt ab, was es vielen Pflanzen immer schwerer macht, gut zu gedeihen.
Hoher Wert von Buddleja für lernfähige Falter
Buddleja liefert auch in Dürrephasen Nektar. Eine breite Anzahl an Arten nutzt diese Pflanze, die sich auf die Bestäubung durch Falter spezialisiert hat. Sie schützt den Nektar durch lange Kelche vor vielen anderen Insekten, sodass Falter weniger um den Nektar konkurrieren müssen. Mit einem für viele Falter geradezu magischen Duft lockt sie Falter von weit her an. An manchen, wasserarmen Orten werden wir vielleicht sogar froh über diese auch bei Trockenheit blühende Nektarquelle sein.
Meine Recherchen und meine eigenen Beobachtungen an der Pflanze ergaben in der Summe die beeindruckende Zahl von über 80 Falterarten, die gerne Buddleja besuchen. Darunter auch seltene Arten wie der Hummelschwärmer, der Spiegelfleck-Dickkopffalter, der Kleine Eisvogel oder das Blaukernauge. Für viele Arten ist der Strauch auch eine gute „Partnervermittlungsbörse“, wo sich Männchen und Weibchen treffen. Der würzige, honigähnliche Duft wird von den beiden Stoffen 4-Oxoisophoron und Oxoisophoron-Epoxid bestimmt und hat eine nahezu magische Anziehung auf die Falter. Er spielt eine viel höhere Rolle als das Aussehen der Pflanze, für das Tagpfauenauge sogar mehr als es je bei einer Bestäuberbeziehung von Pflanze und Falter nachgewiesen wurde. Nur der Duft löst auch das Fressverhalten aus. Nektarmenge und Zuckergehalt liegen im guten Durchschnitt und kein Falter muss hungern, wie eine Studie von G. Chen et al (siehe Flora 209 (2014) 172–178) zeigt. Drogenähnliche, für die Falter schädliche Substanzen wurden in keiner Studie nachgewiesen. Die häufig im Netz zu findende Behauptung, dass der Nektar schädlich sei, ist also durch nichts belegt.
Dass Buddleja keine Futterpflanze für Raupen ist, stimmt ebenfalls nicht ganz. Mehrere polyphage Arten wie die Hausmutter, der Schlehenbürstenspinner, der beeindruckende Totenkopfschwärmer, die schöne Achateule, die Gelbfleck-Waldschatteneule, der Hecken- und der Kreuzkraut-Blütenspanner, der Königskerzenmönch und andere Arten derselben Unterfamilie wurden bereits an Buddleja fressend nachgewiesen.
Interessantes zeigte eine von Susanna Andersson publizierte Studie (in Chemoecology 13:1–11 (2003), nämlich dass Falter aufhören, dem Buddlejaduft zu folgen, wenn der Anflug nicht mit Nektar belohnt wird. Ansonsten hören diese nach mehrmals enttäuschten Erwartungen auf, dem Duft zu folgen. So zeigt diese spannende Studie zugleich, dass Schmetterlinge in ihrem Verhalten lernfähig sind. Sie fliegen spezielle Blütendüfte nicht einfach nur an, weil es genetisch programmiert ist, sondern lernen um, wenn die Belohnung mit Nektar ausbleibt.
Was unserer Faltervielfalt am meisten hilft
Besonders artenreiche Lebensräume mit seltenen Pflanzen und Tieren sollten überall gefördert und vor der Einfalt von großen Neophyten-Beständen geschützt werden. Wer in seinem Garten auf heimische Pflanzen und magere Wildstaudenbeete setzt, Teile der Wiese abmagert, seltener mäht und Raupenfutterpflanzen am richtigen Platz gedeihen lässt, der tut fraglos um Potenzen mehr für unsere Falter- und Insektenwelt als jemand, der englischen Rasen und Thujenhecke bevorzugt und zusätzlich einen Schmetterlingsstrauch in den Garten setzt. Ohne sonnige Brennnesselfelder von mehreren Quadratmetern und naturnahe Areale im Umfeld, bleibt dieser ohnehin leer.
Ackerwitwen- und Flockenblumen, Gewöhnlicher und Wasserdost, Karthäusernelken, Blutweiderich und viele Kleearten bieten in der Summe nicht nur ein fantastisches Nektarangebot während der Blütezeit von Buddleja, sondern zugleich vielen Raupen Nahrung.
Diese wilde Blütenvielfalt ist in kleinen Gärten mit höherem Schattenanteil und nährstoffreichem Boden allerdings nur mit Fachkunde und Aufwand umzusetzen. Allen, die sich hier noch verbessern wollen, lege ich jedenfalls diesen großartigen, neuen Leitfaden ans Herz.
FAZIT
Ich persönlich halte nach diesen Recherchen Buddleja für eine Bereicherung für unsere Schmetterlinge, wie auch für Kinder, die bunte Schmetterlinge leider immer seltener erleben können. DIES ABER NUR, wenn man ihr Auswildern bestmöglich verhindert. Hierfür wird häufig das Abschneiden von verblühten Rispen vor der Samenbildung empfohlen. Viel sicherer ist jedoch der Kauf von sterilen Buddleja-Hybriden, welche beispielsweise in den USA aufgrund strenger Pflanzverbote gezüchtet wurden. Leider wird die Sterilität diverser Buddleja-Sorten von Anbietern in Österreich bisher nicht ausgewiesen. Der Botaniker Gregor Dietrich empfiehlt jedoch sterilen Züchtungen der CHIP-Serie, wie zum Beispiel "Ice Chip", WHITE CHIP™ und BLUE CHIP™. Züchtungen der CHIP-Serie sind auch in Österreich erhältlich.
Jedenfalls konnte ich letztere beiden Sorten in Österreich glücklicher Weise schon bekommen. Sie sind niederwüchsig, blühen üppig, produzieren Nektar, aber der Pollen ist steril, sodass auch keine Samen ausgebildet werden. Diese Sorten werden in unserer Saumbepflanzung aus Birke, Weißbuche, Weißdorn, Haselnuss, Brennnesselfeldern, Sal- und Trauerweide statt der bisherigen Buddleja-Sträucher Platz finden.
So hoffe ich, unsere Falter-Vielfalt in nektarärmeren Dürrephasen weiter mit dieser Pflanze zu erfreuen, ohne wertvolle Lebensräume in meiner Umgebung zu gefährden.
Wer zudem noch mehr zum Thema wissen will, kann auch die Artikel-Langfassung im Naturmagazin von Blühendes Österreich lesen
© Fotos: Marion Jaros