Der Nano-Fachdialog zum Thema „Nachhaltigkeit von Nanotechnologien – green nano“, eine Veranstaltung des deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) fand am 12. und 13. Juni 2012 in Berlin  statt. Die 20 Vertreter/innen von Stakeholdergruppen, darunter die WUA, diskutierten die potentiellen Inhalte, Rollen und die mögliche Effektivität eines Leitbildes „Nachhaltige Nanotechnologien“ für die Technologieentwicklung und die Forschung.

Die WUA leitet innerhalb der Stadt Wien die ÖkoKauf-Arbeitsgruppe „Nanotechnologie“ und wirkt(e) auch in Arbeitsgruppen des Bundes zur Erstellung und Evaluierung des „Österreichischen Aktionsplan Nanotechnologie“ mit.

Am Beginn einer neuen Technologie werden häufig große Versprechungen gemacht – die Praxis sieht oft anders aus

Vielen Stakeholdern ist daran gelegen, dass den Nanotechnologien nicht ein ähnliches Schicksal ereilt wie der Gentechnik oder der Atomenergie, welche zu Beginn neue Antworten auf gesellschaftliche Probleme versprachen, um dann aufgrund hoher Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit anfangs nivelliert wurde, auf starke Ablehnung in der Bevölkerung zu stoßen. 

Auch die Gentechnik hätte neue trockenresistente und salztolerante Pflanzensorten zur Bekämpfung des Hungerproblems vieler Länder entwickeln können, wie sie es vielfach versprochen hat, und wie sie teilweise in Labors tatsächlich entwickelt wurden. Bis zur Marktreife entwickelt wurden diese Lösungen allerdings nicht, unter anderem, weil sie den Saatgutkonzernen weniger Gewinn bringen als die marktdominierenden, pestizidresistenten Sorten, die z. B. gleichzeitig Gewinne beim Verkauf von Totalherbiziden ermöglichen.

Wie kann man also sicher stellen, dass die potentiellen Chancen, die eine neue Technologie bietet, nicht nur ungenutzte Möglichkeiten bleiben, sondern tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden?

Nanotechnolog/innen versprechen zur Zeit, durch neue Filtertechniken Lösungen gegen die Verknappung sauberen Wassers in vielen Regionen anzubieten, umwelt- und klimafreundliche Technologien effizienter und billiger zu machen, gefährliche Krankheiten zu heilen etc...

Wenn man aber betrachtet, welche Nanoprodukte das aktuelle Marktangebot tatsächlich beherrschen, so sind es eher Convenience-Produkte mit zweifelhaftem Nutzen, wie z. B. mit Nanosilber imprägnierte Textilien zur  Bekämpfung von Schweißgeruch oder leistungsfähigere Golf- und Tennisschläger. Auch die erhöhte Toxizität verschiedener Nanopartikel mit noch unbekannten Wechselwirkungen mit Umwelt und Mensch wird in den Medien immer häufiger diskutiert.

Kann man technologische Innovation gezielt in Richtung Nachhaltigkeit lenken?

Wie kann man also als Gesellschaft dazu beitragen, dass eine neue Technologie zur Entwicklung risikoarmer Produktinnovationen (Stichwort „design for safety“) mit hohem Benefit für das Allgemeinwohl und die Umwelt führt (Stichwort „benign by design“), die sich dann auch auf dem Markt etablieren?

Im Rahmen des Workshops wurde diskutiert, ob die Einführung von Leitbildern für die Forschung(sförderung) einen nennenswerten Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung der Nanotechnologien leisten kann. Wie können solche Leitbilder, z. B. im Forschungsbetrieb von Universitäten und Unternehmen, wirksam implementiert werden, sodass sie auch in den Köpfen all jener verankert sind, die im Alltag Forschung und Entwicklung vorantreiben, als Förderer oder selbst Forschende?

Eine Antwort lautete, dass jedes Leitbild mit den Betroffenen gemeinsam entwickelt und regelmäßig diskutiert, adaptiert und präsentiert werden muss, damit es im Alltag auch gelebt wird.

„Design-Prinzipien“ als Antwort?

Beim Workshop wurden auch sogenannte „Nano-Designprinzipien“ vorgestellt, welche in der Forschungspraxis dazu führen sollen, dass risikoarme Nanomaterialien biomimetisch und energieeffizient hergestellt werden und vorwiegend neue, ökologische Lösungen für den Bereich der Energie- und Umwelttechnik bereitstellen, welche Emissionen einsparen, Umweltsanierungen erleichtern, etc.

Einige Teilnehmer/innen äußerten den Wunsch, in solchen, in Bearbeitung befindlichen Leitbildern stärker die soziale Dimension von Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, da sie in den bisherigen Konzepten zu „Grüner Chemie“ und „Nachhaltiger Nanotechnologie“ noch zuwenig Berücksichtigung findet.

Wie hoch ist die Effektivität von „grünen“ Leitbildern in einem nicht nachhaltigen Wirtschaftssystem?

Die geladenen Experten für Ethik begrüßten die Entwicklung von Leitbildern, warnten aber davor, sich von solchen Leitbildern zu viel zu erwarten, da im Stadium einer Materialentwicklung die tatsächlichen Anwendungsgebiete und daraus resultierende gesellschaftliche Folge- und Nebenwirkungen nur sehr vage abgeschätzt werden können.

Die WUA brachte an dieser Stelle der Diskussion ein, dass Leitbilder eng verknüpft sind mit dem Wertesystem einer Gesellschaft. Ein Ausdruck unseres gelebten Wertesystems ist auch das derzeitige, neoliberale Weltwirtschaftssystem.

Dieses ist jedoch selbst nicht an den Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichtet. Unter anderem, weil es in einer Welt mit begrenzten Ressourcen aufgrund eines systemimmanenten Wachstumszwanges auf endloses Wachstum programmiert ist, und somit ohne Gegensteuerung in einer begrenzten Welt zu einem Systemkollaps führen muss.

Dem wurde entgegengehalten, dass die Grenzen unserer Welt aufgrund stetiger technischer Innovationen, welche die Effizienz unseres Wirtschaftens erhöhen nicht genau bestimmbar sind. Die „Grenzen des Wachstums“ wurden somit dem stetigen „Wachstum der Grenzen“ gegenübergestellt.

Dass ein neues Bewusstsein für die Grenzen der Natur und des Naturraumes aber nötig ist, wurde nicht bestritten und wir als WUA hoffen, dass von immer mehr Seiten die Reformbedürftigkeit unseres Wirtschaftssystems thematisiert wird.

Denn jede technologische Entwicklung erfolgt auch nach den Regeln unseres Wirtschaftssystems. Orientiert sich dieses nicht an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, so kann auch ein darauf fußendes Leitbild zur nachhaltigen Entwicklung einer neuen Technologie kaum seine volle Wirkung entfalten.

Kommunen als nachhaltiges Marktregulativ 

Fest steht jedenfalls, dass Kommunen wie die Stadt Wien im Rahmen ihrer Beschaffung Lenkungseffekte am Markt erzielen, also nachhaltige, umweltfreundliche Produkte forcieren können. Im abschließenden Vortrag des Workshops erläuterte dies die (Vertreterin der) WUA als einziger ausländischer Gast im Sinne eines Praxisbeispiels. Sie zeigte auf, wie die Stadt Wien als öffentliche Beschafferin im Programm „ÖkoKauf Wien“ Produkte und Leistungen einer ökologischen Bewertung unterzieht und daraus Maßnahmen für die Beschaffungspraxis und die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wien ableitet. Dabei wurde insbesondere die Arbeit(sweise) der ÖkoKauf-Arbeitsgruppe Nanotechnologie vorgestellt. 

Ein Feedback auf den Vortrag war, dass Kommunen vor allem dann das Marktangebot positiv beeinflussen können, wenn sie ihre Beschaffung gemeinsam an Zielen der Nachhaltigkeit ausrichten und damit eine relevantere Marktmacht entwickeln als Einzelkommunen es können.

„ÖkoKauf Wien“ informiert über seine Arbeit deshalb auch international, und ist um Abstimmung von Kriterien mit anderen öffentlichen Beschaffer/innen bemüht.

Mehr Informationen:

Fachdialog „Nachhaltigkeit von Nanotechnologien – green nano“
Informationen der WUA zum Thema Nanotechnologie

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