Die Sommer in Wien werden immer wärmer, und die Zahl der Hitzetage steigt. In der Folge erhitzen sich die dicht bebauten und wenig begrünten Stadtviertel stark, und die versiegelten Flächen strahlen bis weit in die Nacht ihre aufgenommene Hitze ab, wodurch auch die Sommernächte oftmals über 20 Grad haben und zur Belastung für einen gesunden Schlaf werden. Hinzu kommt, dass Stadtviertel mit einem geringen Grünflächenanteil nur wenige konsumfreie Aufenthaltsmöglichkeiten bieten und die verbleibenden Freiflächen oftmals dem motorisierten Verkehr vorbehalten sind. Das Ergebnis ist, dass die wenigen verbliebenen Aufenthaltsflächen wie Parks und Plätze einem hohen Nutzungsdruck durch viele unterschiedliche Nutzer*innengruppen ausgesetzt sind.

Superblock Barcelona KleinAls Antwort auf die steigende Hitze und den Mangel an Aufenthaltsmöglichkeiten in dicht bebauten Grätzln wird die Neuorganisation der autozentrierten Straßenräume in den Fokus genommen. Hier setzt das Konzept der Superblocks („Superilles“) an, das Anfang der 2000er-Jahre in Barcelona entwickelt wurde. Es stellt einen vielversprechenden Ansatz für eine flächendeckende und schnell umsetzbare Transformation des öffentlichen Raums dar, bei der durch Verkehrsberuhigung der Durchzugsverkehr in bestehenden Wohngebieten reduziert werden soll. Mittlerweile werden die Ideen des Superblock-Konzepts in verschiedenen europäischen Städten in ähnlicher Weise umgesetzt. Bekannt sind unter anderem die Berliner Kiezblocks, die bereits in mehreren Berliner Bezirken realisiert wurden. In Wien wurde nun erstmals das Konzept des „Wiener Supergrätzls“ erprobt, das vor allem in den dicht bebauten gründerzeitlichen Stadtvierteln eine Verkehrsberuhigung bewirken und durch Umnutzung sowie Neuausrichtung der Straßenräume mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität schaffen soll.

 

Wie funktioniert ein Superblock?

Verkehrsorganisation Superblocks kleinEin Superblock ist ein verkehrsberuhigtes Gebiet, in dem Maßnahmen ergriffen werden, um den Durchgangsverkehr zu verhindern und stattdessen den Fuß- und Radverkehr zu fördern. Gleichzeitig wird der öffentliche Verkehr an den Rändern des Gebiets optimiert. Innerhalb des Superblocks werden Verkehrsflächen neu geordnet, wodurch mehr Platz für Aufenthaltsbereiche, Bewegung und Begrünung entsteht. Durch den Abbau von Kfz-Stellplätzen werden zusätzliche Flächen für andere Nutzungen frei, die sowohl die Aufenthaltsqualität erhöhen als auch zur Klimaanpassung beitragen. Zudem wird die Verkehrssicherheit verbessert – insbesondere für Kinder, die sich in diesen Bereichen eigenständig und gefahrlos bewegen können. Die Außenbereiche des Superblocks werden mit einer optimierten Radverkehrsinfrastruktur und einem verbesserten öffentlichen Verkehrsangebot in das städtische Umfeld integriert. Darüber hinaus sollen an den Rändern verstärkt verschiedene Nutzungen und Funktionen angesiedelt werden.

 

Welche Wirkungen erzielen die Superblocks?

In Barcelona zeigt sich, dass eine strategische und flächendeckende Umsetzung von Superblocks über das gesamte Stadtgebiet hinaus eine Reduzierung des motorisierten Verkehrs bewirkt und alternative Mobilitätsformen wie das Zufußgehen und Radfahren fördert. Verkehrszählungen im Superblock Sant Antoni haben ergeben, dass der motorisierte Verkehr im Block um 82 % gesunken ist, während nur eine geringe Verlagerung von +21 % auf das umliegende, höherrangige Straßennetz festgestellt wurde. Insgesamt wurde eine Reduktion von 15 % an Fahrzeugen in und um den Superblock gemessen. Gleichzeitig hat die Zahl der Zufußgehenden um 28 % zugenommen.

Neben den positiven Mobilitätsverlagerungen wurden auch eine Verbesserung der Luftqualität sowie eine Reduktion des Lärms festgestellt – was der Gesundheit und Lebensqualität der Nachbarschaft zugutekommt. Darüber hinaus erhöhen Begrünungsmaßnahmen, Spielflächen und Sitzgelegenheiten nicht nur die Aufenthaltsqualität, sondern auch die Verkehrssicherheit. Besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, ältere Menschen und Betreuungspersonen profitieren von diesen Maßnahmen.

Die zusätzliche Begrünung von Straßenräumen – insbesondere durch Baumpflanzungen – kann an Hitzetagen wichtigen Schatten spenden, durch Verdunstung die Aufheizung der Freiräume eindämmen und so die Anwohner*innen vor einer hohen körperlichen Belastung durch Hitze schützen.

Neben den positiven Auswirkungen auf Gesundheit und Aufenthaltsqualität bringt die Verkehrsberuhigung in den Superblocks von Barcelona auch ökonomische Vorteile. Verkaufsdaten aus Kartenzahlungen zeigen, dass nach Umsetzung der „Superilles“-Maßnahmen die Umsätze gestiegen sind – ein klarer Widerspruch zur häufig geäußerten Befürchtung, dass das Wegfallen von Parkplätzen dem lokalen Handel schade.

 

Das Supergrätzl Favoriten

Supergrätzl Verkehrsorganisation KleinIn Favoriten wurde – zwischen Gudrunstraße, Leebgasse, Quellenstraße und Neilreichgasse – nach katalanischem Vorbild das Wiener Konzept des Supergrätzls erstmals erprobt. Das Gebiet wurde ausgewählt, da es sehr dicht besiedelt ist, eine hohe Bebauungsdichte sowie eine unzureichende Grünraumversorgung aufweist und stark hitzebelastet ist. Zudem befinden sich hier ein Kindergarten und eine Mittelschule – täglich halten sich viele Kinder im Grätzl auf, die besonders von einer verkehrssicheren Umgestaltung profitieren.

In einer zweijährigen Pilotphase mit Bürger*innenbeteiligung und sogenannten Straßenlabors wurde eine neue Verkehrsorganisation mittels Diagonalfiltern und Einbahnschleifen eingeführt. Die StraßeVisualisierung_Supergrätzl_-_klein.jpg vor der Mittelschule in der Herzgasse wurde verkehrsberuhigt und in eine Fußgängerzone umgewandelt. Temporäre Maßnahmen wie Bodenmarkierungen und Pflanzkübel dienten der Veranschaulichung der geplanten Umgestaltung. Besonders spannend am Planungsprozess war, dass vor der dauerhaften baulichen Umsetzung zunächst verschiedene Maßnahmen erprobt wurden. Diese Herangehensweise des sogenannten „Tactical Urbanism“ ermöglichte es, günstige und kurzfristig realisierbare Maßnahmen zu testen und daraus wertvolle Erkenntnisse für die dauerhafte Gestaltung zu gewinnen.

Ab Herbst 2023 begann die bauliche Umsetzung und dauert noch bis Herbst 2025 an. In zwei Bauphasen werden 60 neue Bäume gepflanzt, 17 Mikrofreiräume geschaffen, sowie Wasserspiele, Nebelstellen, Sitzgelegehenheiten installiert und das Zentrum des Supergrätzls zu Fußgängerzonen umgebaut. Durch diese Maßnahmen entfallen ca. 30% der Kfz-Stellplätze und es werden folglich mehr Begegnungsorte für Personen im Grätzl geschaffen.

 

Ausblick

Insgesamt stellt das Konzept der Superblocks und Supergrätzl einen vielversprechenden Ansatz dar, mit kostengünstigen und rasch realisierbaren Maßnahmen eine Verkehrsberuhigung auf Quartiersebene zu erreichen. Um auf gesamtstädtischer Ebene eine nachhaltige Reduktion des motorisierten Verkehrs, eine bessere Erreichbarkeit und eine gerechtere Verteilung von Grünraum zu erzielen, ist die Integration des Superblock-Konzepts in eine umfassende Mobilitäts- und Freiraumstrategie von zentraler Bedeutung. Die Erfahrungen aus Barcelona zeigen, dass die Einbettung in eine stadtweite Mobilitätsstrategie wesentlich zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs beitragen kann.

 

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