Wer an Wien denkt, der muss quasi automatisch auch an die Donau denken. Denn wie so oft in der Geschichte von großen Städten hat ein großer Fluss die Form und Geschichte von Wien stark geprägt. Dabei ist die Donau auf ihrer Reise zum Schwarzen Meer bei weitem nicht das einzige kühle Nass unserer Stadt. Denn Wien ist trotz heißer Sommer nicht trocken: Flüsse, Tümpel, Teiche und Auen bieten jenen Arten wertvolle Lebensräume, welche unsere Wasserjäger schätzen.               

Im Zuge von Klima- und Biodiversitätskrise sind diese wichtigen Habitate jedoch bedroht: Durch steigende Temperaturen und intensivere Unwetterereignisse wird das Überleben, besonders für stark spezialisierte Tiere, noch schwieriger. Denn, jene Wasserjäger, denen dieser Artikel gewidmet ist, ernähren sich primär von Fischen und Wasserbewohnern, welche bereits sehr empfindlich auf geringe Temperaturschwankungen reagieren. Sie bilden daher ein gutes Beispiel, wie anfällig die Nahrungsnetze unserer Stadt für kleinste Störungen sein können. Verschwindet die Beute, folgt der Beutegreifer bald nach, und unsere Artenvielfalt nimmt unvermeidlich großen Schaden. Um zu verstehen, was hier auf dem Spiel steht, lohnt es sich, einen Blick auf die faszinierenden Überlebensstrategien von Wiens Beutegreifern am und im Wasser zu werfen.

Doch warum eigentlich „Beutegreifer“ und nicht wie bisher üblich „Raubtier“. Im Naturschutz und der Wissenschaft ist es seit geraumer Zeit üblich, keine wertenden Fachausdrücke mehr zu verwenden. Der Begriff „Raubtier“ induziert, das diese faszinierenden Geschöpfe mit ihrer Jagd und Nahrungsaufnahme dem Menschen etwas „rauben“ würden und fußt auf dem veralteten Gedanken, dass der Mensch rechtmäßig über die Natur als sein Eigentum verfügen könne. Dieses direkte Konkurrenzverhältnis führte in Folge zur Ausrottung vieler Beutegreifer, welche dann teilweise mühevoll in Wiederansiedelungsprojekten ihren Weg zurück in unsere Mitte finden mussten. Denn die Wahrheit ist, wir Menschen sind stark von unseren Beutegreifern abhängig. Sie helfen uns, Lebensräume zu erhalten, indem sie Populationen von Beutetieren effektiv regulieren.

Der bessere Begriff Beutegreifer beschreibt also, wie das englische Wort „Predator“, einfach nur wertfrei die Natur dieser Tiere: Um zu überleben, müssen sie andere Tiere jagen und fressen. Beutegreifer sind dabei Meister ihres Fachs: Meist angepasst an ihre Lebensräume bieten sie dem/der aufmerksamen Beobachter*in faszinierende Einblicke in ihre Welt.

Doch trotz hervorragender Jagdstrategien und großer evolutionärer Selektion, ist Jagen für Beutegreifer stets ein „Tanz auf der Rasierklinge“: Denn, eine Vielzahl der Jagdversuche wird scheitern. Auch die Beute hat sich an die Jäger angepasst und neue Strategien gefunden, um zu überleben. Jeder gescheiterte Versuch kostet den Jäger aber wertvolle Energie. Wer also zu oft scheitert und irgendwann zu schwach für die Jagd ist, schafft es nicht, zu überleben.

Zum Glück jedoch sind Österreichs Wasserjäger wahre Experten auf ihrem Gebiet. Sie alle sind Spezialisten, welche sich auf unterschiedlichste Art und Weise an den Lebensraum Wasser angepasst haben. Anhand einiger Beispiele kann man die spannenden Überlebensstrategien dieser Tiere bewundern und die oftmals missverstandenen Beutegreifer schätzen lernen.

Graureiher - Ein geduldiger Lauerjäger
Fischotter – ein Fischer im Trüben
Gänsesäger – Eine geselliger Harpunist
Kormoran – Ein tief tauchender Sonnenanbeter
Was können wir tun, um zu helfen?

Graureiher – Ein geduldiger Lauerjäger

wasserjaeger1 kleinDer erste Spezialist dieses Artikels ist ein häufiger Gast an Wiens Gewässern. Graureiher sind selbst im Flug ohne Probleme zu erkennen, denn die sehr großen und schlanken Tiere ziehen dabei, gleich einem Pelikan, ihren langen Hals ein. Dies unterscheidet sie leicht von Vögeln mit ähnlicher Silhouette, wie Störchen oder Kranichen.

Graureiher nutzen ihre sehr langen Beine, um am seichten Wasserrand nach Fischen Ausschau zu halten. Obwohl sie im Wasser jagen, können Reiher nur schlecht schwimmen. Um das Gefieder trotzdem vor etwaigen Spritzwasser zu schützen, können Reiher spezielle Federn mit ihrem Schnabel zu einem Puder zermahlen. Wird dieses in das Gefieder gerieben, erzeugt es dort einen imprägnierenden Effekt, der die Tiere vor den Elementen bewahrt.

Bei der Jagd verharrt der Reiher komplett ruhig im seichten Wasser. Wenn der richtige Moment gekommen ist, schnappt der harpunenartige Schnabel mitwasserjaeger2 klein atemberaubender Präzision zu und beschert dem geduldigen Reiher eine oftmals dringend nötige Mahlzeit.

Graureiher brüten in Kolonien auf Bäumen oder Klippen und nutzen für ihre Jagd und Brutreviere auch gerne Parks mit Teichen oder ähnlich menschlich geprägte Gewässer. Ein Beispiel hierfür wäre der Wasserpark im 21. Wiener Gemeinde-Bezirk. Möchte man mehr über diese faszinierenden Geschöpfe erfahren, kann man ihnen dort perfekt per Fernglas näherkommen.

Fischotter – ein Fischer im Trüben

wasserjaeger3 kleinAls “Marder des Wassers” sind die mittelgroßen, muskulösen Tiere absolut an ihren Lebensraum angepasst. Dank ihrer Schwimmhäute bewegen sich die wendigen Tiere auch im Wasser so elegant und fließend wie an Land. Im kühlen Nass jagen sie bevorzugt Fischen, Muscheln und Schnecken nach. Damit sie diese auch bei wenig Licht noch treffsicher aufstöbern können, besitzen sie, ähnlich wie unsere Katzen, Tasthaare auf ihrer Schnauze.

Fischotter besitzen ein ultradichtes Haarkleid, um dem kalten Wasser zu trotzen. Während Menschen am Kopf um die 100 bis 200 Haare pro cm² wasserjaeger4 klein besitzen, sind es bei den Fischottern zwischen 50.000 bis 80.000 Haare pro cm². Dies führt ähnlich wie ein gut sitzender Neoprenanzug zu einer schützenden und isolierenden Schicht um die tauchenden Tiere.

Otter wurden aufgrund ihres kostbaren Pelzes, sowie ihrer Jagdaktivität, die in Konkurrenz zum Menschen stand, fast bis zur Ausrottung bejagt. Auch in Wien gibt es nach wie vor nur sehr wenige Tiere. Die Rolle des Fischotters in Ökosystemen ist die Populationsregulation: Sie entnehmen primär schwache oder kranke Beutetiere und bewahren so den Lebensraum vor Übernutzung und Krankheiten. Umso wichtiger ist es, den Fischottern wieder den Raum zu geben, den sie benötigen.

Gänsesäger – Eine geselliger Harpunist

wasserjaeger5 kleinWill man wissen wie ein Vogel lebt, ist es in der Regel ein guter Anfang, sich seinen Schnabel anzusehen. Der Schnabel bildet das primäre Werkzeug der Vögel und dient neben der einfachen Nahrungsaufnahme vielfachen Funktionen: Neben einer Signalfunktion, um durch die Farbe Paarungsbereitschaft zu zeigen, dient er unter anderem auch dem Interagieren mit dem Lebensraum, der Lautäußerung oder der effektiven Gefiederpflege.

Wirft man einen Blick auf den namensgebenden Schnabel der Gänsesäger, sprechen die lange Form mit gehaktem Ende, sowie die zahlreichen wasserjaeger6 klein kleinen Hornsägezähne, eine eindeutige Sprache. Er dient den Sägern zum Fangen und Festhalten ihrer Beute, welche von kleinen Krebsen bis zu kleinen Fischen und Insekten reicht. Diese erspähen die Jäger dabei, indem sie ihren Kopf unter Wasser halten. Ist eine potentielle Mahlzeit dabei, können Gänsesäger während der Jagd einige Meter tief tauchen.

Säger gehören zu den größeren unserer heimischen Entenarten. Von den ihnen sehr ähnlichen Mittelsägern kann man sie leicht an ihren scharf abgegrenzten, farbigen Halsfedern erkennen. Außerhalb ihrer Brutzeit sind Gänsesäger mitunter in sehr großen Gruppen von mehreren tausend Individuen anzutreffen.

Kormoran – Ein tief tauchender Sonnenanbeter

Während Graureiher, Fischotter und Gänsesäger sich das kalte Wasser mit Puderfedern, dichtem Haarkleid oder Bürzeldrüsen tunlichst vom Leib halten wollen, verfolgt der Kormoran hierbei eine gänzlich andere Strategie.

wasserjaeger7 kleinDer wendige Wasserjäger liebt es, bis zu 30 Meter tief nach seinen Beutefischen zu tauchen. Hierbei ist es natürlich von großem Vorteil, den hinderlichen Auftrieb zu überwinden, um möglichst schnell, möglichst tief in die Fluten hinab zu gelangen. Kormorane nutzen hierfür ihr spezielles Gefieder, welches Wasser schnell aufnimmt und den gänsegroßen Vogel nach unten zieht. Dort machen Kormorane Jagd auf alle Fische, welche ihnen vor den Schnabel schwimmen. Die hakenartige Spitze des Schnabels hilft dem Vogel beim Fangen der Beutefische.

Statt nach einem Tauchgang das Gefieder einzufetten, trocknen Kormorane ihre Federn lieber ausgiebig in der Sonne. Im Gegensatz zu vielen wasserjaeger8 klein Wasservögeln besitzen die Tiere nämlich keine Bürzeldrüse, mit welcher sie ihr Gefieder wasserfest einfetten können, denn das wäre für die schnellen Tauchgänge der Kormorane kontraproduktiv. So entdeckt man die schwarzen Vögel oft mit charakteristisch ausgebreiteten Flügeln in der Sonne sitzend, ihre mühsam erarbeitete Mahlzeit verdauen.

Wie auch Reiher, brüten Kormorane gerne auf Bäumen in Gewässernähe. Da ihr ätzender säurehaltiger Kot Pflanzen stark kahlen lässt, lassen sich die Plätze auch leicht ausfindig machen. Kormorane galten aufgrund massiver Bejagung lange Zeit als stark gefährdet. Der Bestand der Tiere hat sich aber in den letzten Jahren wieder erholt.

Was können wir tun, um zu helfen?

wasserjaeger9 kleinWiens Wasserjäger helfen uns Menschen, unsere Gewässer in Schuss zu halten. Indem sie die Lebensgemeinschaften im Wasser regulieren, bleibt das Gleichgewicht im kühlen Nass stets gewahrt und ihre Beutetiere können sich nicht unkontrolliert vermehren. Dies führt zu resistenteren Flüssen und Seen, welche auch uns Menschen einen Rückzugsort bieten.

Doch auch unsere Wasserjäger sind nicht vor menschlichen Einflüssen geschützt. Abgesehen von einem Bejagungs-Stopp, können wir durchaus noch mehr tun, um diesen wunderbaren Geschöpfen zu helfen: Um effektiven Schutz zu gewährleisten, muss man die Gesamtheit eines Lebensraums erhalten! So gilt es also auch im Falle der Wasserjäger: Gewässer-Lebensräume zu erhalten ist die oberste Pflicht. Speziell in Anbetracht der Klimakrise wird auch das verfügbare Süßwasser in unserer Welt immer knapper. Durch erhöhte Temperaturen trocknen viele Wasserkörper schnell aus und so wird der wichtige Lebensraum der Beutegreifer zerstört. Hier zeigt sich, dass Klimaschutz auch Artenschutz ist. Gehen wir kurze Strecken zu Fuß und nützen öfter unsere Fahrräder oder öffentliche Verkehrsmittel, sparen wir nicht nur Geld, sondern tragen auch zum Klimaschutz bei. Weitere Informationen zum Thema Klimakrise und Biodiversitätskrise.

Auch die Erhaltung ihrer Beutetiere ist für unsere Wasserjäger von größter Bedeutung. Viele Fische und Wassertiere sind stark von der Wassertemperatur abhängig. Steigt diese durch klimatische Veränderungen, stirbt in Folge irgendwann auch die dort anwesende Tierwelt. Menschliche Einwirkungen, wie Verschmutzung oder künstlicher Besatz mit Zuchtfischen für die Fischerei, erschweren die Situation zusätzlich. Fehlt den Beutegreifern die Nahrung, so werden sie starke Rückgänge erfahren und die angeschlagene Artenvielfalt noch weiter leiden.

Auch zu stark regulierte Flüsse oder künstliche Seen bieten keine guten Lebensräume für Tiere und lassen somit auch keine natürlichen Lebensgemeinschaften aus Pflanzen, Beutetieren und Jägern aufkommen. Es gilt also auch hier unsere Gewässer so naturnah wie möglich zu gestalten, um schmerzhafte Verluste der Artenvielfalt zu vermeiden. Speziell wichtig hierbei sind unterschiedliche Strömungszonen und Wassertiefen. Wie so oft in der Natur, ist bei natürlichen Gewässern Vielfalt ein wichtiger Faktor.

Ein letzter großer Punkt zum Erhalt unserer Wasserjäger ist die Reinhaltung von Gewässern von menschlichen Abfällen. Wenn Menschen Littering vermeiden und Plastikmüll reduzieren, helfen wir nicht nur dem Klima, sondern entlasten auch unsere bereits angeschlagene Wasserwelt. Für uns oft harmlos wirkender Müll kann für manche Wasserbewohner zur tödlichen Würgeschlinge oder zu schädlichem Mikroplastik werden. Wasservögel sollten auch keinesfalls gefüttert werden!

Unsere Wasserwelten in Wien sind voller faszinierender Bewohner, deren Erhalt von unserer Mithilfe abhängig ist. Durch das Überdenken unserer zahlreichen Einflüsse und einen achtsamen Umgang mit ihren empfindlichen Lebensräumen, sollte es uns aber ein leichtes sein, ihnen unter die Pfoten oder Flügel zu greifen.

© Fotos: Benedikt Heger

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