Das Thema "Blei im Trinkwasser" begleitet die WUA seit vielen Jahren. Immer noch stehen in Wien Wohnhäuser, insbesondere Altbauten aus der Vorkriegszeit, in deren Trinkwassersystem Bleileitungen eingebaut sind. Das kann zu Bleiwerten im Trinkwasser führen, welche die vorgesehenen Grenzwerte überschreiten. Aufgrund der Giftigkeit von Blei macht dies betroffenen Menschen Sorgen.

Gesundheitliche Auswirkungen von Blei im Trinkwasser

wasserhahn kleinChronische Bleivergiftungen üben toxische Wirkungen insbesondere auf das Nervensystem, die Blutbildung und wahrscheinlich auf die Nieren aus. Die entstehende Blutarmut führt zum Beispiel zu erhöhter Müdigkeit und Leistungsabfall.

Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Kleinkindern eine tägliche Zufuhr von 3 bis 4 Mikrogramm (µg) pro kg Körpergewicht keinen Anstieg der Blutbleikonzentration bewirkte. Daraus wurde der sogenannte PTWI-Wert (Provisionably Tolerable Weekly Intake) mit 25 µg Blei/kg Körpergewicht errechnet, der angibt, welche wöchentliche Aufnahme von Blei mit der Nahrung keine Gesundheitsschäden hervorruft. Ein 60 kg schwerer Mensch kann also ohne gesundheitliche Auswirkungen etwa 210 µg Blei pro Tag zu sich nehmen.

 

Erwachsene sind in der Regel nicht gefährdet

Erwachsene Personen nehmen durchschnittlich zu Hause etwa 1 Liter Trinkwasser zu sich. Wenn sich Bleirohre im Trinkwassernetz befinden, werden - auch wenn sogenanntes Stagnationswasser getrunken wird (welches nach einigen Untersuchungen nur sehr selten mehr als 200 µg/L enthält, meist aber weniger) - Bleimengen aufgenommen, die im Bereich des PTWI-Wertes liegen, also im tolerablen Bereich.

Eine Hamburger Studie, welche die Bleikonzentrationen im Blut von 248 Frauen mit und ohne Bleileitungen in der Trinkwasserversorgung verglich, zeigte, dass der Bleimittelwert bei den Frauen mit den erhöhten Bleikonzentrationen im Trinkwasser nur um 0,6 Mikrogramm pro Deziliter (0,6 µg/dL) höher lag, nämlich bei 3,3 µg/dL gegenüber 2,7 µg/dL. Erste gesundheitliche Auswirkungen (wie Blutarmut) sind jedoch erst bei Bleikonzentrationen im Blut von über 10 µg/dL zu erwarten.

Seltene Ausnahmen durch besonders hohe Bleibelastungen - Global 2000 hat laut eigenen Angaben in einer Trinkwasserprobe einen Spitzenwert von 849 µg/L gemessen - sind jedoch möglich. In anderen veröffentlichten Untersuchungen konnten solch hohe Werte aber nicht gefunden werden.

Eine der Haupteintragsquellen für Blei im Blut war übrigens bis vor drei Jahrzehnten das verbleite Benzin. Durch die Entfernung dieser Blei-Emissionsquelle sank bei der deutschen Bevölkerung der durchschnittliche Bleigehalt des Blutes von 1979 bis 1997 von 12 µg/dL auf 2,5 µg/dL. In Österreich wird die Situation ähnlich sein.

 

Kleinkinder sind wesentlich empfindlicher als Erwachsene

Kinder reagieren empfindlicher auf Blei als Erwachsene, weil

  • sie von der über Nahrung und Getränke zugeführten Bleimenge durchschnittlich die fünffache Menge gegenüber Erwachsenen (nämlich 50 statt 10 Prozent) über den Darm ins Blut aufnehmen.
  • Blei, auch schon in relativ niedrigen Konzentrationen, die Gehirnentwicklung negativ beeinflussen kann.

Das renommierte Center of Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, USA, gibt in Übereinstimmung mit vielen anderen Institutionen an, dass Bleikonzentrationen, die einen Wert von 10 µg/dL Blut überschreiten, die kindliche Gehirnentwicklung beeinträchtigen. Das heißt, dass zum Beispiel die sprachliche Entwicklung etwas langsamer und das Konzentrationsvermögen etwas schlechter sind. Bei Kindern mit Bleiwerten im Blut über 40 µg/dL konnte in einer Studie eine signifikante Verringerung des Intelligenzquotienten (IQ) um vier Punkte festgestellt werden. Auch die Hörnerven sind nach Untersuchungen bei Kindern ein Angriffsziel für Blei. So wurde eine verminderte Hörleistung bei Kindern mit erhöhten Bleiwerten im Blut festgestellt.
Zur Orientierung: Als lebensbedrohlich werden Bleigehalte im Blut ab über 70µg/dL eingestuft.

Erhöhte Bleiwerte bei Kindern waren in den USA noch bis in die 80er Jahre weit verbreitet, und zwar vor allem aufgrund von mit Bleifarben ausgemalten Wänden in einer Vielzahl der Wohnungen. Eine Untersuchung von 1976 bis 1980 stellte fest, dass Kinder in den USA durchschnittlich einen Bleigehalt im Blut von 15 µg/dL hatten.

 

Am gefährdetsten sind Säuglinge, die Flaschennahrung bekommen

Für Säuglinge, welche nicht gestillt werden, sondern mit der üblichen in Trinkwasser aufgelösten Babynahrung versorgt werden, ist die gesundheitliche Gefährdung am höchsten, weil sie im Verhältnis zum Körpergewicht sehr viel Trinkwasser aufnehmen.

Dazu eine einfache Rechnung zur groben Abschätzung des möglichen Gefährdungspotentials:

Über Nacht in der Leitung abgestandenes Trinkwasser, sogenanntes Stagnationswasser, kann Mengen von 200 µg pro Liter enthalten. Wir nehmen für diese Rechnung an, dass Eltern in der Früh aufstehen, um als erstes ihrem hungrigen Säugling ein Fläschchen zuzubereiten und dabei gleich für zwei weitere Mahlzeiten über Nacht abgestandenes Trinkwasser aus der Leitung entnehmen, es abkochen und für eine sofortige und zwei spätere Mahlzeiten in Fläschchen abfüllen. Da Abkochen das Blei nicht aus dem Wasser entfernt, würde das Baby - womöglich regelmäßig - einen halben bis dreiviertel Liter bleihaltiges Wasser zu sich nehmen, das heißt in etwa 120 µg Blei. Ein solcher Säugling nimmt daher die zehnfache Menge gegenüber des oben erwähnten Wertes von 3 bis 4 µg Blei/kg Körpergewicht auf, bei dem keine Erhöhung der Bleikonzentration im Blut festgestellt werden kann.

Die sich im Blut einstellende Konzentration hängt von der Verteilung im Körper und der Verweildauer des Bleis im Blut ab. Da ein neugeborenes Baby nur circa ein drittel Liter Blut besitzt, steht fest, dass die über das Trinkwasser aufgenommenen Bleimengen sehr wohl in einen Bereich gehen können, der für das Baby schädlich ist.

Die von der Wiener Umweltanwaltschaft erhobenen Daten wurden von der Organisation "Ärzt/innen für eine gesunde Umwelt" überprüft und bestätigt.

Verschärfung der Trinkwassergrenzwerte für Blei

Vor Dezember 2003 galt ein Grenzwert von 0,050 mg Blei / Liter Trinkwasser. Die obigen Ausführungen zeigen, dass dieser Wert Kleinkinder nicht ausreichend schützte. Deshalb wurde der Grenzwert 2003 auf 0,025 mg/Liter gesenkt und im Jahr 2013 auf nur mehr 0,010 mg/l. Das entspricht maximal 10 µg Blei/Liter als neuem Grenzwert.

Der neue Grenzwert bedeutet, dass beim Vorhandensein von Bleileitungen zumeist nicht nur Proben des Stagnationswassers die Bleigrenzwerte überschreiten können, sondern das Trinkwasser insgesamt.

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 233/04g vom 7. 12. 2004) zu Blei im Trinkwasser kam zu dem Schluss, dass das einminütige Ablaufenlassen von Stagnationswasser Mieter*innen zuzumuten ist, um den Bleigehalt des Trinkwassers unter den Grenzwert zu senken. Ist dies nicht ausreichend, um genussfähiges Wasser zu erhalten, so handelt es sich auch rechtlich um einen Missstand.

 

 

Wer ist bei Grenzwertüberschreitungen rechtlich verantwortlich?

Die Abteilung Wiener Wasser ist für die Leitungen bis zum Wohnhaus verantwortlich. Sämtliche Bleirohre in Hausanschlussleitungen sind jedoch bereits bis 2007 von dieser ausgetauscht worden.  Die Hausinstallationen liegen im Verantwortungsbereich des Hauseigentümers. Die WUA wird regelmäßig von Bürger*innen angefragt, in deren Wohnhäusern bzw. Wohnungen, die Bleiwerte über den Trinkwasser-Grenzwerten liegen.

Laut gutachterlicher Äußerung wurde der einschlägige Grenzwert teilweise bis zum 10-fachen überschritten. Auch das Rinnenlassen des Wassers bewirkte kein Absinken unter den Bleigrenzwert.

Nach einer Recherche der Wiener Umweltanwaltschaft gibt es in einem solchen Fall keine öffentlich-rechtliche Grundlage (insb. keine Anwendbarkeit der Trinkwasserverordnung TWV, BGBl. II Nr. 304/2001 idgF.), um das Recht auf sauberes Trinkwasser geltend zu machen.

Aus zivilrechtlicher Sicht ist das Bezirksgericht für eine etwaige Mietzinsminderung nach dem Allgemeinen bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) zuständig.

Mieter*innen von Wiener Altbauwohnungen [SK1] können zudem einen Antrag bei der Magistratsabteilung 50 (Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten (MA 50) - Gruppe Schlichtungsstelle einbringen. Im Rahmen dessen muss ein zertifiziertes Gutachten zu den Bleimesswerten samt Abnahmestelle z.B. von einem umwelttechnischen Labor beigelegt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Mieter*innen die Wasserprobe nicht selbst abnehmen und dann in ein Labor bringen. [SK2] 

Bei der Entscheidung seitens der MA 50, ob eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch erhöhte Bleibelastung vorliegt, sind die Kriterien des letztaktuellen OGH-Erkenntnisses vom 25.7.2014, 5 Ob 88/14y, anzuwenden:

Die Behebungs- und Beseitigungspflicht des Vermieters von ernsten Schäden des Hauses oder von einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung betrifft grundsätzlich sowohl Wasserleitungen in den allgemeinen Teilen des Hauses, als auch Leitungen im Mietobjekt selbst, wenn eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Mieter*innen mittels gutachterlichem Nachweis vorliegt. Der OGH verlangt zusätzlich Sachverhaltsfeststellungen zu jener Frage, ob und welche Rohre im Haus für die erhöhte Bleikonzentration verantwortlich sind. Jedoch ist selbst bei Nachweis einer bestehenden Gesundheitsgefährdung durch konkrete Rohrleitungen im Haus in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob sich diese Gefährdung durch „andere zumutbare“ Maßnahmen abwenden lässt. Wie schon erwähnt, wird das Rinnenlassen des Wassers für die Dauer von nur 1 min seitens des OGH als zumutbar angesehen, da es sich um einen bloß geringfügigen Aufwand handle.

Sollte eine erhebliche Gesundheitsgefährdung gemäß § 3 MRG festgestellt werden, erfolgt mittels Entscheidung ein Auftrag zur Sanierung der betroffenen Leitungsrohre an die/den Vermieter*in binnen angemessener Frist. Die/der Vermieter*in hat die Möglichkeit, innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung der Entscheidung die Sache bei Gericht anhängig zu machen [SK3] 

 

Maßnahmen ohne Leitungstausch

Beim Vorhandensein von Bleileitungen sollte vor der Wasserentnahme für Trinkzwecke jedenfalls das Stagnationswasser abgelassen werden. Dies senkt in der Regel die Bleikonzentration erheblich. Hierfür lässt man das Trinkwasser bis zum Erreichen einer stabilen kühlen Temperatur ablaufen (mindestens zehn Liter). Im Allgemeinen reicht das Wasser zur morgendlichen Körperpflege und Toilette aus um das Stagnationswasser zu verbrauchen. Kleinkindern und insbesondere Säuglingen sollte man keinesfalls bleihältiges Stagnationswasser zu trinken geben. Viele Eltern verwenden bei erhöhten Bleiwerten im Trinkwasser gekauftes Wasser.

Von einigen Firmen werden auch Sanierungen von Bleileitungen ohne Tausch angeboten. So gibt es Filtertechniken, die mit Membranpressfiltern mit Aktivkohle oder mit Umkehrosmose arbeiten. Letzteres ist energieaufwändig.

Es besteht beim Einbau von Filtern zudem die Gefahr, dass es zu einer Keimbildung kommt, insbesondere mit Pseudomonas aeruginosa, einem Keim der Ohren- und Lungenentzündungen verursachen kann. Es ist also eine regelmäßige Wartung nötig, auch um Filterdurchbrüche zu vermeiden.

Bei der Umkehrosmose entsteht beinahe destilliertes Wasser von der Reinheit. Dieses Wasser ist für die Leitungen sehr aggressiv und muss künstlich nachher wieder auf mindestens 8 Grad Deutscher Härte eingestellt werden.

In Wien liegt der pH-Wert des Trinkwassers üblicher Weise in einem Bereich, in dem der Kalkgehalt des Wassers im Laufe der Jahre zu einem schützenden Belag in der Wasserleitung führt und das Herauslösen von Blei reduziert wird.

Firmen, welche eine schützende Kunststoff-Innenbeschichtung der bestehenden Trinkwasserleitungen anbieten, müssen den Kalkbelag vorher entfernen, damit der Kunststoff entsprechend anhaften kann. Es besteht ein Restrisiko von Lücken in der Beschichtung.

Sinnvoll ist es deshalb, vor solchen Maßnahmen einen beeideten Sachverständigen hinzuziehen. Man kann hierzu z.B. in dieser Suchmaske das Stichwort „Wasserleitungen“ eingeben.

Einen wirklich sicheren Schutz bietet nur der Ersatz der Bleirohre. In der Praxis werden Bleirohre zumeist dann mitgetauscht, wenn es zu einem sonstigen Gebrechen der Wasserleitungen kommt.

 

Mehr Informationen:

Wiener Wasser 
Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien (Magistratsabteilung 39)

 [SK1]Mieter*innen vom im Anwendungsbereich des WGG stehenden Wohnungen (hier nicht beschränkt auf Altbauwohnungen) könnten auch einen entsprechenden Antrag bei der Schlichtungsstelle stellen.

Siehe auch weiter unten zum Anwendungsbereich des MRG!

 [SK2]Grundsätzlich wird das Gutachten seitens der Schlichtungsstelle auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit geprüft, nur bei Zweifel wird die MA 25 zugezogen.

 [SK3]Zitat §40 Abs. 1 MRG
Einspruch stimmt insofern nicht, als gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle kein Rechtsmittel zulässig ist, aber durch die Anrufung des Gerichts die Entscheidung der Schlichtungsstelle außer Kraft tritt.

 Foto: Benedikt Heger

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