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Gesundheitliche Folgen

Der Unfall von Tschernobyl hatte verschiedenartige Folgen für die Gesundheit der Bevölkerungen der Ukraine, Südrusslands und Weißrusslands. Man kann zwischen drei Arten von Gesundheitsschäden unterscheiden:

Akute Schäden

Akute Schäden betrafen ausschließlich das Personal des Kernkraftwerkes und die aus der Umgebung heran gerufenen Feuerwehrmänner. Nach offiziellen Angaben starben 31 Arbeiter an den direkten Folgen des Nuklearunfalls. Bei 237 wurden akute Verstrahlungssymptome nachgewiesen. Sie wurden innerhalb von 24 Stunden in einem Krankenhaus behandelt.

Beim Bauen einer Betonschutzhülle (Sarkophag) um den Unfallreaktor entstanden ebenfalls akute Gesundheitsschäden. 700.000 Arbeiter/innen und Soldaten (so genannte Liquidatoren) wurden bei den Arbeiten in diesem hochradioaktiven Umfeld sehr stark verstrahlt. Mangels Messgeräten war die akkumulierte Dosisbelastung dieser Menschen häufig nicht zu erfassen. In der öffentlichen Diskussion wird davon ausgegangen, dass zirka 100.000 der etwa 600.000 Einsatzkräfte schwere Spätfolgen, manche davon sogar mit Todesfolge, erlitten haben.

Spätfolgen

Radioaktive Strahlung kann auch bei kleinen (und natürlichen) Dosen zu Veränderungen im Zellkern führen. Diese sterben ab oder vermehren sich ungebremst (Tumorbildung). Aufgrund der langen Entwicklungszeit von Krebserkrankungen beziehen sich die direkt messbaren Folgen zunächst auf die Erkrankungen an Schilddrüsenkrebs bei Kindern (so genannte Tschernobylkinder). Bis 1997 entwickelten sich zirka 900 Schilddrüsentumore in den am meisten radioaktiv belasteten Gebieten. Die Anzahl wird insgesamt auf etwa 1.500 ansteigen, wenn alle Kinder berücksichtigt werden, die zur Zeit des Unfalls bereits geboren waren. Der Schilddrüsenkrebs wurde durch erhöhte Belastung der Schilddrüsen mit radioaktivem Jod (vorwiegend I131) verursacht. Jod131 hat eine relativ kurze Halbwertszeit von neun Tagen. Daher wirkt es nur in der unmittelbaren Zeit nach dem Unfall. So konnte die Zahl der Opfer durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und lokale Behörden gut dokumentiert werden. Dank internationaler Hilfsprogramme konnte in den meisten Fällen das Leben der von Schilddrüsenkrebs betroffenen Kinder gerettet werden. Auch Österreich, besonders das Wiener Sankt Anna Kinderspital, hat sich an diesen Programmen beteiligt.

Zu weiteren längerfristigen Spätfolgen gehören auch andere Krebserkrankungen, wie zum Beispiel Leukämie. Aufgrund der langen Latenzzeit (die Krankheit ist vorhanden, tritt aber noch nicht in Erscheinung) gibt es bisher jedoch keine exakten Zahlen. Eine statistische Häufung dieser Erkrankungen konnte im Gegensatz zu Schilddrüsenerkrankungen nicht festgestellt werden. Weiterhin können Erbgutveränderungen (Mutationen) durch Bestrahlung hervorgerufen werden. In Extremfällen treten die Schäden als körperliche und geistige Behinderungen in den nachfolgenden Generationen auf. Ein direkter Zusammenhang mit den radiologischen Folgen des Unfalls von Tschernobyl lässt sich nur schwer herstellen. Zahlreiche Chemikalien (zum Beispiel bestimmte Lebensmittelfarbstoffe) können Erbgutveränderungen herbeiführen. Für Menschen in belasteten Gebieten besteht die Gefahr, genetische Defekte über mehrere Generationen zu akkumulieren.

Psychologische Folgen

Den Bürger/innen wurde Tschernobyl immer als absolut unfallsicher dargestellt. Die Ursache für psychische Erkrankungen zeigte sich vor allem in einem verstärkten Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierung und den Politiker/innen. Die Bürger/innen fühlten sich nicht ausreichend über den Unfall und seine möglichen Folgen aufgeklärt. Ungewiss war, ob auch die Zivilbevölkerung von der entwichenen Strahlung betroffen war. Falls ja, war unklar, wo sich der betroffene Kreis befindet und wie viele davon betroffen sind. Der massive Vertrauensverlust wurde auch auf andere Bereiche in Politik und Gesellschaft übertragen.

Zusätzliche psychische Belastungen entstanden in der Folge der Umsiedelung der Bewohner/innen in der unmittelbaren Kraftwerksumgebung. Betroffen waren in erster Linie ältere Menschen. Sie können sich nur schwer an eine neue Umgebung gewöhnen.

Mit Sicherheit haben psychologische Folgen in Kombination mit Angst und Ungewissheit die Lebensqualität nachteilig beeinflusst. Es liegt in der Natur statistischer Phänomene, wie der durchschnittlichen radioaktiven Belastung, dass von der Wissenschaft nur sehr wenige Aussagen über den/die Einzelne/n getroffen werden können. Genau dies gestaltet sich als großes Problem für die Betroffenen.{glossarbot=disable}

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