Die beiden traurigen Gedenktage zu 10 Jahre Fukushima und 35 Jahre Tschernobyl nimmt die WUA zum Anlass, um über einige andere – nicht so bekannte - verheerende Unfälle der Nukleargeschichte zu berichten.

Teil 3: Bohunice (Trnava, SK), 1976/1977

Im Jahr 1958 begannen die Bauarbeiten für den ersten Atomreaktor zur Stromerzeugung auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, zwar mit der brüderlichen Hilfe der Sowjetunion, aber doch in vielen Bereichen eine Eigenentwicklung. Die Moderation des Reaktors KS 150 erfolgte über schweres Wasser, die Kühlung mit CO2. Das Design ermöglichte einen Betrieb mit Natururan, über das die CSSR selbst verfügte. Als zusätzlichen Vorteil hatte der Reaktor Druckröhren, welche die kontinuierliche Versorgung des Reaktors mit Brennstoff ohne Betriebspause ermöglichen. Sowohl was seine elektrische Leistung von 93 MW, als auch was sein einfaches Design betrifft, würde man den Reaktor heute in das nukleare Hoffnungskonzept SMR (Small Modular Reactor) gut einfügen können. Auch was die Bauzeit betrifft ist die Anlage Bohunice A1 sehr gut mit der gegenwärtigen Realität der Kernenergie vergleichbar. Nach über 14 Jahren erfolgt am 25. Dezember 1972 die erste Einspeisung von Strom durch Bohunice A1 ins Netz der CSSR.

Zu dieser Zeit, im Sommer 1972, war am Standort bereits das nächste Projekt angelaufen. Bohunice V1, ein Doppelreaktorblock der sowjetischen WWER 440-Baureihe.

Die helle Zukunft der Kernenergie in der CSSR sollte sich rund vier Jahre später in eine strahlende verwandeln. Am 5.Jänner 1976 versagte die Verriegelung eines eben neu eingesetzten Brennelements. Durch den Druck des Kühlmittels CO2 wird das Brennelement aus seinem Kanal herausgeschossen. Kühlmittel strömt durch den geöffneten Kanal in die Reaktorhalle, die Stahlwürfel der Reaktorabdeckung werden in die Halle geschleudert. Zwei Arbeiter ersticken im CO2. Nach etwa einer viertel Stunde gelingt es Vilam Paces, dem zweiten Operator, mit Hilfe der Befüllmaschine, den Kanal zu verschließen. Nach den spärlichen verfügbaren Aufzeichnungen tritt keine Radioaktivität und keine Information nach außen, weder über den Vorfall, noch über die zwei Toten oder darüber, dass wenig gefehlt hat zum Beginn der Kernschmelze. Wozu auch, es ist nichts geschehen. Durch die Unachtsamkeit eines Arbeiters, die Technik selbst ist nie fehlerhaft, wird eben eine Revision des Reaktors bis zum Ende des Jahres notwendig.

Am 22. Februar 1977 ist es dann so weit, im Nachbarland, der Republik Österreich ist gerade der Streit zwischen den „fortschrittsverweigernden“ Gegnern des AKW Zwentendorf und den „rationalen“ Befürwortern in vollem Gang, in Bohunice A1 wird wieder ein Brennelement getauscht. Das Brennelement überhitzt - sicherlich hat ein Mitarbeiter irgendwo geschlampt, es wird einige Theorien geben wer und wobei. Dadurch wird die Barriere zwischen den CO2-gespülten Brennstoffröhren und dem Bereich des schweren Wassers des Moderators zerstört. Das mit CO2 gesättigte Wasser zerstört die Röhren der Dampferzeuger und der Hüllrohre der Brennelemente und tritt aus dem Reaktor aus. Am Ende des Tages sind 132 der 571 Brennelemente so schwer beschädigt, dass sie mit bestehender Technik nicht mehr aus dem Reaktor entfernt werden können. Nach außen dringt nichts, also keine Information. So wird man sich fragen müssen, hätte es nicht nur ein Schlupfloch für die Radioaktivität aus dem Reaktor gegeben, wäre dann die Abstimmung am 5. November 1978 in Österreich deutlicher gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf ausgefallen oder vielleicht sogar überflüssig gewesen? Was die Radioaktivität betrifft, gibt es zumindest spärliche Informationen, betrachtet man was vor Ort übrigblieb, nachdem einiges noch bei einem starken Regen im Jahr 1978 ins Grundwasser gespült wurde, so kommt man auf etwa 1014 - 1015 Bq Aktivität an Gammastrahlern und 1011 - 1013 Bq an Alphastrahlen-Aktivität.

1979 erkennt auch die politische Seite, dass der Reaktor nicht mehr zu retten ist, der Abbau der Anlage wird beschlossen. Leider ist die Finanzierung nicht sichergestellt, da man das Geld ja für die nächsten Reaktoren benötigt. So gehen die Aufräumungsarbeiten schleppend voran, selbst die im Jahr der Inbetriebnahme von Bohunice A1 begonnenen Reaktoren der Anlage V1 sollen, so wird es die Zukunft zeigen, letztlich früher zurückgebaut werden. Wurde das Ende der Aufräumarbeiten irgendwann einmal mit 2033 genannt, ist man aktuell schon in den 2050-ern. Die nun im Manivier Kanal und im Dudváh, einem Zufluss des Váh, dem längsten Fluss der Slowakei, abgelagerten radioaktiven Sedimente werden ohnedies bleiben wo sie sind oder weiter in die Donau wandern,

  • vorbei am KKW Paks/Ungarn (INES 3 Störfall im Jahr 2003, INES 2 Störfall im Jahr 2009, INES 1 Störfall im Jahr 2005,2009 und 2012),
  • vorbei am KKW Kozloduj/Bulgarien, dem 1991 von der IAEA ein sehr schlechter Zustand bescheinigt wurde und dessen 4 morschesten Blöcke widerwillig im Rahmen des EU-Beitritts 2004 vom Netz genommen wurden und bei dessen Block 5 am 1. März 2006 nach dem Ausfall einer Hauptkühlmittelpumpe 22 der 60 Steuerelemente in der oberen Position hängen blieben (INES 2 nach Einschätzung der Behörde),
  • vorbei am KKW Belene/Bulgarien, dessen beide Blöcke einzig und alleine noch keinen Schaden angerichtet haben, weil der 1987 begonnene Bau 2012 eingestellt und die als gefährliche Drohung zu bezeichnende Ankündigung der Wiederaufnahme der Bautätigkeiten bis jetzt nicht in die Tat umgesetzt wurde,
  • vorbei am KKW Chernavoda/Rumänien, wo zwei der in den 1980-ern begonnenen Reaktoren auch in Betrieb sind und zwei als Bauruinen der Zukunft harren. Hier schließt sich auch der Kreis mit erhöhten Tritium-Werten im Grundwasser um die kanadischen CANDU-Reaktoren, die in der Technik mit dem KS 150 relativ nahe verwandt sind.

Danach ergießt sich die Donau ins Schwarze Meer und hier verliert sich die Spur der Radionuklide verschiedener Herkunft in einem größeren Wasserkörper.

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