Der veröffentlichte Bericht der IAEA zur Pre-OSART Mission im Zeitraum vom 18.11. – 5.12.2019 liest sich wie eine Bestätigung der durch die Wiener Umweltanwaltschaft, die anderen Bundesländer, die Republik und NGOs seit Jahren vorgebrachten Bedenken gegen Errichtung und Betrieb von Mochovce 3&4. Der vorliegende Bericht zeichnet ein verheerendes Bild vom Sicherheitsverständnis in allen Ebenen und dokumentiert klar, dass den bisher von den Betreibern vorliegenden Unterlagen kein Glauben geschenkt werden kann.

Die Initiative Wiens gegen Mochovce 3&4

Der Bau der Blöcke 3&4 des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce wurde im Jahr 1987 offiziell begonnen. Durch den Zusammenbruch der UdSSR und der darauffolgenden Spaltung der CSSR in Tschechien und die Slowakische Republik, kamen die Bautätigkeiten am Standort Mochovce auf Grund der mangelnden Strukturen und Finanzierung vollständig zum Erliegen. Erst nach einer Konsolidierungsphase des neu entstandenen Staates wurden die Arbeiten wiederaufgenommen: der Block 1 wurde im Jahr 1998 und der Block 2 wurde im Jahr 2000 in Betrieb genommen. Österreich meldete bereits damals massive Bedenken gegen die Inbetriebnahme, der bereits zu diesem Zeitpunkt veralteten, in den frühen 1970-er Jahren entwickelten, Anlagen an.

Die Wiederaufnahme der Bauarbeiten an den Blöcken 3&4 erfolgte dann im Jahr 2007. Sich auf eine verlängerte Baubewilligung der CSSR stützend, verweigerte die slowakische Seite die Durchführung einer UVP oder sonstige Öffentlichkeitsbeteiligung. Gleichzeitig wurde gegenüber kritischen Stimmen aus Österreich sowie auch gegenüber der Stadt Wien behauptet, dass umfangreiche Änderungen zum ursprünglichen Projekt durchgeführt und die Anlage dem neuesten Stand der Technik entsprechen solle. Die Inbetriebnahme wurde für 2012 angekündigt. Die Stadt Wien wandte sich daraufhin mit einer Beschwerde und einem Auskunftsbegehren an die Europäische Kommission. Im folgenden grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsprozess erhoben über 200.000 Wiener/innen ihre Stimme gegen die Fertigstellung der damals bereits seit über 20 Jahren in Bau befindlichen Reaktoren. Die WUA als Atomschutzbeauftragte kritisierte damals im Besonderen Mängel in der Brandsicherheit, unzureichende Kontinuität im Wissensmanagement und die vor Ort bereits seit Jahren zweifelhaft eingemotteten Anlagenteile sowie altersbedingte Mängel im Design der Anlage. Die Europäische Kommission bestätigte in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen die Kritik. Eine Besichtigung der Anlage gemeinsam mit der damaligen Umweltstadträtin Ulli Sima gipfelte in deren gleichwohl spontanen wie auch zutreffenden Feststellung, sich wohl in einer Bauruine zu befinden.

In der Folge kam es zu einem vertieften, auf dem bilateralen Nuklearinformationsabkommen beruhenden, Expert/innen-Dialog zwischen der Slowakei und Österreich, der über ein Jahr lang in zahlreichen Treffen die Problemfelder der Anlage, unter Beteiligung der WUA für das Land Wien, anhand von Dokumenten behandelte.

Die Baustelle Mochove erlebte in der Folge mehrere Höhen und Tiefen, sowie Wechsel der Bauherren. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sowie der slowakischen Geheimdienste zu Korruption im großen Stil mit Verbindungen auch zum zeitweiligen italienischen Eigentümer ENEL, laufen nach wie vor. Die WUA beteiligte sich in dieser Zeit am Verwaltungsverfahren zur Bewilligung der Kommissionierung und nahm dabei auch in die nur am Kraftwerksstandort aufliegende Dokumentation dieses Prozesses Einsicht. Relativ schnell wurde klar, was auch durch Whistleblower und die Umweltorganisation Global 2000 bestätigt wurde, die Baustelle befindet sich nicht in dem Zustand, welchen die slowakische Seite in den Unterlagen präsentiert hatte.

Baustopp jetzt

Nach der direkten Bestätigung von massiven Missständen auf der Baustelle durch einen ehemaligen technischen Mittarbeiter von Mochovce 3&4 bei einem Termin mit der zuständigen Wiener Umweltstadträtin und der Wiener Umweltanwaltschaft, setzt sich die Stadt mit Nachdruck für eine Initiative der Republik im Fall Mochovce ein. Die slowakische Seite versuchte, die Aktualität der Vorwürfe und ihre Relevanz in der Folge zu relativieren, war aber gezwungen der Durchführung einer Pre-OSART Mission der IAEA zuzustimmen. Die Veröffentlichung des Berichts wurde durch die Slowakei zunächst erfolgreich unterbunden. Erst das Urteil eines slowakischen Gerichts im Rahmen eines durch NGOs betriebenen Auskunftsbegehrens führte zur Veröffentlichung. Der Bericht der sonst sehr diplomatisch formulierenden IAEA spricht eine ungewöhnlich deutliche Sprache. Klar ist zu erkennen, dass die über Jahre hinweg vermuteten Mängel, die durch vorliegende Berichte der WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) untermauerten Befürchtungen, durch die Realität noch übertroffen werden. Anscheinend hat sich die Situation auf der Baustelle durch die Jahre hinweg immer weiter verschlechtert. Durch die Zahl an manipulierten Aufzeichnungen, etwa über nie stattgefundene Überprüfungen, lässt sich im Wesentlichen von österreichischer Seite nicht mehr überprüfen, welchen Dokumenten Glauben geschenkt werden kann. Die sicherheitsrelevanten Mängel, welche im Rahmen der Pre-OSART Mission festgestellt wurden, verfestigen die berechtigten Zweifel an einem grundsätzlich sicheren Betrieb der Anlage. Der mangelnde, sensitive Umgang mit Anforderungen im Bereich der Sicherheit und Notfallvorbereitung, sowie die mangelhafte Schulung sowohl der Bauausführenden, als auch des zukünftigen Betriebspersonals, lassen ein verantwortungsvolles und sicheres Betreiben der Anlage unmöglich erscheinen.

Die WUA fordert die Republik Österreich im Dialog mit der Slowakischen Republik mit Nachdruck auf, auf eine Einstellung der Bautätigkeit in Mochovce zu bestehen, bis der tatsächliche Ist-Zustand der Anlagen, unter Beteiligung unabhängiger internationaler Expert/innen, festgestellt und dokumentiert worden ist.

Der Wiener Gemeinderat forderte zuletzt in seiner 48. Sitzung am 27.02.2019 die Bundesregierung auf, mit allen rechtlichen und diplomatischen Mitteln der bevorstehenden Inbetriebnahme von Mochovce 3 entgegenzuwirken, die laufenden Verfahren im Zusammenhang mit der Errichtung Mochovce genau zu verfolgen und gegebenenfalls auch hier rechtliche Schritte zu ergreifen.

Mehr Informationen:

Bericht der IAEA zur Pre-OSART Mission im Zeitraum vom 18.11. – 5.12.2019

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