Im KKW Olkiluoto in Finnland kam es am 10.12.2020 gegen Mittag zu einer Schnellabschaltung des Blocks 2 der Anlage. Der Standort ist auch Baustelle des seit 2005 in Bau befindlichen EPR (Olkiluoto Block 3) in Finnland, dessen geplante Inbetriebnahme sich nicht zuletzt wegen gravierender Ausführungsmängel von ursprünglich 2011 bis heute verzögert hat.     

Als Ursache für die Schnellabschaltung des Reaktors wird von der finnischen Atomaufsichtsbehörde (STUK) erhöhte Radioaktivität im Kühlmittelkreislauf des Reaktors angegeben. Wie Untersuchungen des Betreibers bis jetzt nahelegen, handelt es sich aber nicht um einen Austritt von Radioaktivität aus beschädigten Brennstäben, sondern um kontaminiertes Filtermaterial aus dem Wasserreinigungssystem des Kreislaufes. Die Anlage ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt soweit unter Kontrolle, dass der Notfallzustand beendet werden konnte und die folgenden Arbeiten unter dem normalen Betriebsregime der Anlage stattfinden.

Laut Angaben von STUK haben die Steuersysteme des Reaktors - wie für solche Notfallsituationen vorgesehen - gearbeitet, Radioaktivität wurde nicht in erhöhtem Ausmaß an die Umgebung abgegeben, Personal wurde bei dem Vorgang keiner erhöhten Strahlung ausgesetzt.

Gut gegangen - nichts geschehen

Der Vorfall im KKW Olkiluoto ist kein seltener Einzelfall unter den 443 weltweit laufenden KKW. Die Schnellabschaltung des Reaktors, das Atem anhalten, die fieberhafte Ursachensuche und dann zumeist das Aufatmen, dass der Grund für das Eingreifen des Notfallsystems, für das automatische und schnellst mögliche Herunterfahren des Reaktors eine anderer war, als der den man mit den Namen Windscale, Three Mile Island, Tschernobyl, oder Fukushima in Verbindung bringt.

Olkiluoto, und in diesem Fall der Block 3 der Anlage, ist in noch einer Hinsicht ein weiteres typisches Beispiel für die Kernenergie. 2003 Ausschreibung und Auftragsvergabe um drei Milliarden Euro Fixpreis. 2005 der Baubeginn. 2006 rechnet man mit der Inbetriebnahme. 2011 war bereits die erste Verzögerung gegenüber der ursprünglich geplanten Fertigstellung 2010. Zu diesem neuen Fertigstellungsdatum haben sich die Baukosten mit 6,6 Milliarden Euro bereits mehr als verdoppelt, die Inbetriebnahme wird nun für 2014 angekündigt. Die letzte verfügbare Angabe der Baukosten stammt aus dem Jahr 2015 mit nunmehr neun Milliarden Euro.

Dann beginnt ein Klagsstreit zwischen den Errichten AREVA/Siemens und dem finnischen Auftraggeber. Der französische Reaktorbauer AREVA wird in der Zwischenzeit zahlungsunfähig und muss, gemeinsam mit mehreren Milliarden Euro Schulden, auf Anweisung der französischen Regierung vom Stromkonzern EdF aufgefangen werden. Nicht zuletzt um die Servicierung der KKW-Flotte von EdF durch den nun bankrotten Erbauer AREVA weiter sicherzustellen. EdF hat nach Schätzungen zu diesem Zeitpunkt, nicht zuletzt aus dem hochrentablen Betrieb der eigenen Kernkraftwerke, selbst einen Schuldenberg von etwa 70 Milliarden Euro angehäuft, für den letztlich die Französische Republik geradesteht. Der Siemens Konzern stößt seine Reaktorsparte infolge strategischer Überlegungen komplett ab.

Der aktuelle Termin für die Inbetriebnahme von Olkiluoto 3 ist März 2021.

Trotzdem hatte und hat die Kernenergie weiter ihre Befürworter. Wenigen ist in späteren Jahren oder davor die Größe eines Bruno Kreiskys gegeben, eigene Fehleinschätzungen der Vergangenheit zu erkennen und zu korrigieren, der 1988 folgendes sagte (Quelle: https://www.bibliothekderprovinz.at/buch/5573/):

„Mit jedem Tag, der vergeht, werden die Kraftwerke älter, gebrauchsunfähiger und gefährlicher. Und wir wissen heute, wie lebensgefährlich die Kernenergie ist. Nach Tschernobyl, nach dem, was wir sonst erleben in der Welt. Ich glaube also, dass es gar nichts anderes gibt, als dass wir die Menschen vor dieser zusätzlichen Sorge im Leben bewahren müssen. Warum haben wir ein ganzes Leben lang gekämpft auf dem Gebiet der Sozialpolitik, um weniger Angst vor der Krankheit, um weniger Angst vor der Armut, wenn wir am Schluss machtlos sind, wenn's um die neue Angst geht. Und ich bin deshalb der Meinung, wir brauchen diese neue Angst nicht haben, man muss nur den Mut haben, gegen die Atomenergie mit ihren ungeheuren, gefährlichen Konsequenzen zu warnen, und es gibt nichts Anderes als einfach darauf zu verzichten. Wir brauchen sie auch nicht. Wir haben genug Energie.“

Richtiger könnte man es nicht sagen. Auch genug (erneuerbare) Energie ist vorhanden, bei weitem genug um die Bedürfnisse aller zu decken, wenn auch nicht genug um sich gedankenlos der Verschwendung hinzugeben.

Kernenergie ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems

  • Kernenergie ist die teuerste Variante der CO2-armen Stromerzeugungsarten pro erzeugter Kilowattstunde. Die enormen für die Kernenergie notwendigen Geldmittel fehlen bei der notwendigen Energiewende.
  • Kernenergie beruht auf den nur endlich vorhandenen Uranreserven, die bei heutigem Verbrauch nicht bis zum Ende des Jahrhunderts reichen.
  • Kernenergie hat ein ungelöstes Abfallproblem.
  • Die neuen Reaktorkonzepte zur Lösung der oben stehenden Probleme wurden bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachtet und aus guten technischen und sicherheitstechnischen Gründen verworfen. Selbst die IAEA glaubt nicht an die Fertigstellung eines funktionstüchtigen Prototypen vor dem Ende der 2030-er Jahre.
  • Jegliche heute begonnenen AKW-Neubauten haben selbst bei optimistischer Betrachtung Fertigstellungstermine nach dem kritischen Zeitpunkt für die Umsetzung von dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen.
  • Die zur Zeit in Betrieb befindlichen KKW haben ein durchschnittliches Alter von deutlich über 30 Jahren. Damit ist eine Erhöhung des ohnedies relativ geringen Anteils von 10 % an der weltweiten Stromerzeugung - rund 2,5% des weltweiten Energiebedarfs - völlig illusorisch. Massive Neubauten wären allein zum Ersatz von zu schließenden Altanlagen notwendig.
  • Die CO2-Bilanz der Kernenergie ist besser als jene fossiler Energieträger, aber schlechter als die der erneuerbaren Energieträger und sie verschlechtert sich durch sinkende Uranerzgehalte beständig.

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