Seit nunmehr über vier Monaten dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Obwohl Generaldirektor Grossi (IAEO) gerne und oft zitiert wird, ergeben sich aus der Erkenntnis, dass Nuklearanlagen und im Speziellen Kernkraftwerke nicht geeignet sind in Kriegsgebieten betrieben zu werden, keine Handlungen. Das seit März von Russland besetzte Kernkraftwerk Saporischschja befindet sich noch immer in unmittelbarer Nähe zum Frontverlauf und unverändert liefern zwei der sechs Reaktoren Strom ans ukrainische Stromnetz, das gilt auch unverändert für sieben weitere der 15 Ukrainischen Kernkraftwerke. 

Abgesehen vom Propagandakrieg um die KKW und die präventiven Beschuldigungen beider Seiten für den Fall, dass die Angst vor der Kombination Krieg und Kernenergie real wird, geschieht aber nichts. Die Ukraine befindet sich nämlich nicht nur in einem Krieg, sondern auch in der unangenehmen Situation auf Kernenergie zur Stromerzeugung gesetzt zu haben. 55 Prozent des Stroms in der Ukraine stammen aus Kernkraftwerken, aus Kernkraftwerken, die man aus Sicherheitsüberlegungen am ersten Tag des Krieges herunterfahren hätte müssen. Gleichzeitig ist es aber offensichtlich unmöglich einen Krieg zu führen und gleichzeitig auf über die Hälfte der Stromversorgung zu verzichten.

Die Auswirkungen auf die Europäische Union

Die Auswirkungen eines katastrophalen Unfalls in einem ukrainischen KKW müssen nicht weiter ausgeführt werden. Am 26.04.1986 hat es zu diesem Thema, ganz ohne Krieg, eine umfassende praktische Demonstration mittels des vierten Reaktorblocks in Tschernobyl gegeben. Ein Ereignis, das als erstes mit der höchsten Stufe der Skale für Nuklearunfälle (INES 7) bewertet wurde und als Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bekanntgeworden ist.

Die wirklich interessanten Erkenntnisse aus mehr als vier Monaten Krieg in der Ukraine sind, dass es sowohl im Nuklearsektor als auch bei der Versorgung mit Erdgas eine große und durch die Sanktionen gegen Russland auch praktisch deutlich gewordene Abhängigkeit von Russland gibt. Eine Abhängigkeit, die eine vitale Bedrohung für die Europäische Union darstellen kann. Die Erkenntnis steht nun neben der klaren Aussage der IAEO, dass Kernkraftwerke nicht in Kriegsgebieten betrieben werden sollen. Die Mahnung der IAEO wird schlicht ignoriert. Was die Anhängigkeit von Russland bei Gas und Nuklear betrifft, versucht sich Europa in einer paradoxen Intervention. Am 6. Juli 2022 scheitert im europäischen Parlament die Initiative die Taxonomieverordnung zu stoppen. Die Europäische Kommission erklärt Erdgas und Kernenergie zu umweltfreundlichen und förderungswürdigen Energieformen. Wenn es schon aus der Natur dieser beiden Energiequellen ein unverständlicher Schritt ist, so wird dieser mit Blick auf die Ukraine noch unverständlicher.

Die Republik Österreich bereitet daher mit gleichgesinnten Mitgliedstaaten eine Klage gegen die Taxonomieverordnung vor. Ob die nicht von der Hand zu weisenden Argumente vor dem Europäischen Gerichtshof Gehör finden, kann niemand wissen. Sicher ist hingegen, dass kein Euro, der heute und in vielleicht den nächsten Jahren, unter dem Deckmantel der Taxonomieverordnung, in die Kernenergie oder Erdgas fließt, ein einziges Gramm Treibhausgasemissionen einsparen wird – im Gegenteil. Vielleicht findet aber der ein oder andere zusätzliche Euro, dank Atomenergie und Erdgas in der Taxonomie, den Weg ins Militärbudget der russischen Föderation.

TPL_WUA_ADDITIONAL_INFORMATION