KKW Mochove 3: Sicherheitsrisiken nun auch von Insider bestätigt - Bericht 04/2019
Allgemeines
Das Kernkraftwerk Mochovce befindet sich in der Südslowakei, in der Nähe der Stadt Nitra. Es ist in östlicher Richtung 200 Kilometer von Wien entfernt.
Mit dem Bau der für vier Blöcke konzipierten Anlage des KKW Mochovce wurde 1981 begonnen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verzögerte sich die Fertigstellung erheblich. Technische Änderungen wurden in die Pläne übernommen. Die Systeme sollten nach den jeweils gültigen Vorschriften auf dem Stand der Technik gehalten werden. Am Standort Mochovce werden zur Zeit zwei sowjetische WWER-440/213 Reaktoren betrieben. Wie bei diesem Typ üblich, sind sie als Zwillingsanlage gebaut. Die Reaktoren nahmen 1998 und 1999 nach Protesten österreichischer Kernkraftgegner/innen und im Einklang mit der österreichischen Bundesregierung ihren kommerziellen Betrieb auf. Jeder Reaktor ist - wie bei den sowjetischen Kraftwerken üblich - mit sechs Primärkühlmittelschleifen ausgerüstet. Sie besitzen jeweils eine Hauptumwälzpumpe (HUP). Die Dampferzeuger sind liegend angeordnet. Je Block sind zwei 220 Megawatt-Turbosätze vorhanden. Die Wärmeproduktion je Block liegt bei 1.375 Megawatt (MW). Die Kerneintrittstemperatur des Kühlwassers liegt bei 267 Grad Celsius und die Austrittstemperatur bei 297 Grad Celsius. Das Kerninventar umfasst 42 Tonnen Uran als Dioxid. Die Hüllrohre, in denen die Brennstofftabletten geschichtet sind, bestehen aus Zirkon und einem Prozent Niob. Jeweils 126 Brennstäbe bilden die aktive Zone eines Reaktorblocks.
Vor der Fertigstellung der Blöcke kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Organen in der Slowakei und Kernkraftgegner/innen. Bürgerbewegungen und Umweltgruppen sammelten über eine Million Unterschriften. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sollte von der Vergabe umfangreicher Kredittranchen zur Fertigstellung der Anlagen abgehalten werden. Auf der Grundlage eines Untersuchungsberichtes einer internationalen Expertenkommission unter österreichischer Leitung willigte die damalige österreichische Bundesregierung in das Anfahren der ersten und zweiten Baustufe von Mochovce ein.
Von einzelnen Vertreter/innen der Politik und der Energiewirtschaft wird die Fertigstellung der als Bauruinen eingemotteten Blöcke Mochovce 3 und 4 gefordert. Die Arbeiten an den etwa halbfertigen Anlagen wurden in den 90er Jahren wegen Geldmangel eingestellt. Seither haben sich auch potenzielle Investoren wie die deutschen Bayernwerke zurückgezogen.
Wichtige Zahlen im Überblick
Reaktortyp | Leistung (netto) (MW elektrisch) | Baujahr/ Fertigstellung | Voraussichtlich Betrieb bis | |
---|---|---|---|---|
Block 1 | Druckwasserreaktor | WWER-440/213 | 440 | 1998 | Offen |
Block 2 | Druckwasserreaktor | WWER-440/213 | 440 | 1999 | Offen |
Block 3 | Druckwasserreaktor | WWER-440/213 | 440 | Nicht fertiggestellt | Offen |
Block 4 | Druckwasserreaktor | WWER-440/213 | 440 | Nicht fertiggestellt | Offen |
- Entfernung von der Stadt Wien (Luftlinie): 200 Kilometer
- Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in der Slowakei (2001): Zirka 20 Prozent
- Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in der Slowakei (2001): 53,4 Prozent
- Produktion des KKW Mochovce (2001): 5,39 Terawattstunden (TWh)
Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle
Seit der Inbetriebnahme kam es relativ selten zu Zwischenfällen der Kategorie INES 0 oder 1. Darüber hinaus sind bis Ende 2003 keine schweren Stör- oder Zwischenfälle bekannt.
Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Kritikpunkte
Die beiden laufenden Blöcke sowie die nicht fertig gestellten Einheiten 3 und 4 sind ohne VollContainment.
Durch den relativ schlanken Reaktordruckbehälter sind die Neutronenflüsse auf der Druckbehälterwand teilweise erheblich. Die Bestrahlung kann zu einer Versprödung des Behälters, im Besonderen der kernnahen Schweißnähte (nahe der aktiven Zone) führen. Diese weisen einen hohen Kupferanteil auf.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Im Rahmen bilateraler Informationsabkommen mit der Slowakei sollten die Einhaltung laufender Sicherheitskontrollen beobachtet und die Ergebnisse analysiert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt der Versprödung der Reaktordruckbehälter. Einige slowakische Politiker/innen schlagen vor, Block 3 und 4 in Mochovce fertigzustellen. Damit soll nach der Dekommissionierung der Blöcke 1 und 2 in Bohunice deren Energieleistung ersetzt werden. Die Slowakei muss derzeit 90 Prozent ihrer Energieträger importieren. Sie besitzt aber ein hohes Potenzial an Geothermie, Solarenergie und vor allem ein Potenzial für die Produktion von Biomasse. Der Ersatz der Leistung der Blöcke 1 und 2 in Bohunice durch Erneuerbare Energien und einen weiteren Ausbau der Energieeffizienz (zum Beispiel Kraft-Wärme-Kopplungen) wäre für die slowakische Energiepolitik eine wesentlich nachhaltigere Vorgehensweise. Dies würde gleichzeitig die Autarkie dieses energiepolitisch stark vom Ausland abhängigen Staates stärken. Der Ausbau der Blöcke 3 und 4 in Mochovce würde alle Bestrebungen, die in diese Richtung zur Zeit (an)laufen, zunichte machen. Eine Diversifikation der slowakischen Energieerzeugung wäre erschwert.
Sicherheitssysteme
Das Kontroll- und Sicherheitssystem entspricht einer verhältnismäßig modernen Variante, wie sie für die WWER-440-Reaktoren vorgesehen ist. Unter anderem existieren:
- Mit Edelstahl ausgekleidete Reaktordruckbehälter aus Stahl
- Ein hermetisches VielkammerContainment (Confinment) mit Stahlverkleidung umschließt den Primärkreis.
- Hochdruckwassereinspeisesystem zur Überspeisung eines Abrisses einer Hauptkühlmittelleitung mit einer Auslegung von dreimal 100 Prozent
- Niederdruckwassereinspeisesystem zur Überspeisung eines Abrisses einer Hauptkühlmittelleitung mit einer Auslegung von dreimal 100 Prozent
- Erdbebengesichertes zusätzliches Wärmeabführsystem zum Ableiten von Nachzerfallswärme
- Druckabbausystem mit umfangreichen Wasservorhaltungen, um austretenden Dampf zu kondensieren (Bubbler Condensor Tower)
- Containmentsprühsystem mit dreimal 100 Prozent Auslegung
- Wasserstoffrekombinator, um Knallgasexplosionen zu vermeiden
- Akkumulatoren für die Notstromversorgung, ausreichend für drei Stunden Betrieb der Elektronik
- Notstromdieselanlagen mit Überkapazität für den Betrieb der Kühlmittelpumpen
- Borcarbid-Injektionssystem als zusätzliche Neutronenkontrolle im Primärkreis
Eine Vielzahl von Betriebsparametern werden ständig erfasst. Sie können bei Abweichung von den Richtwerten zur Schnellabschaltung des Reaktors führen. Dazu gehören unter anderem:
- Wärmeproduktion im Reaktor
- Reaktorperiode
- Feuchtigkeitsgehalt in den Gasflusssystemen
- Neutronenfluss
Forderungen der Europäischen Union
1996 gewährte die Deutsche Bundesregierung auf Drängen des Kraftwerksbauers Siemens eine Hermesbürgschaft (Ausfuhrgarantie) in der Höhe von etwa 75 Millionen Euro zur Fertigstellung von Mochovce Block 1 und 2. Siemens/KWU war an der Fertigstellung wesentlicher Systeme beteiligt. Von der Regierung Meciar wurde im Rahmen des international ausgelegten WPNS-Prozesses (Working Party on Nuclear Safety) auf die Forderung der EU als Beitrittsbedingung eingegangen. Die beiden älteren Blöcke des KKW Bohunice (V-1) sollen 2006 und 2008 für immer still gelegt werden.
Verwendete Quellen und Links
- Forschungsprojekt Energiepolitik, Jürgen Sattari
- Nuclear Issues
- Slovenské Elektrárne, a.s.
- Socio-Economic Data concerning NPP
- Hospodárske Noviny - hnonline.sk