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Allgemeines 

KKW Mühleberg (KKM) ist das kleinste der fünf Schweizer Kernkraftwerke. Die Anlage besitzt einen  Siedewasserreaktor vom Typ BWR 4 des amerikanischen Herstellers General Electrics und liegt am Rheinzufluss Aare in der Westschweiz, etwa 15 Kilometer von der Bundeshauptstadt Bern entfernt. Das Kraftwerk wurde in den Jahren 1967 bis 1971 errichtet und zählt nach heutigen Kriterien zu den kleineren Kernkraftwerken mit einer elektrischen Einspeiseleistung von 355 MW. Es dient der Grundlastabdeckung innerhalb des Großraums Bern und der Westschweiz.
KKM ist im Eigentum der BKW FMB Energie AG (BKW) und wird durch diese auch betrieben. Das Unternehmen gehört zu den größeren Schweizer Energieunternehmen und befindet sich zu über 50 % im Besitz des Kantons Bern und zu ca. 20 % der deutschen EON (Stand 2007). Von allen fünf schweizerischen KKW ist Mühleberg das am Stärksten umstrittene.

Aufgrund seines inzwischen hohen Alters sind zahlreiche Sicherheitssysteme nicht mehr auf dem Stand heutiger Technik, obwohl im Jahr 2000 umfangreiche Investitionen auch im Bereich Sicherheit umgesetzt wurden. Ein wesentlicher Streitpunkt in der öffentlichen Diskussion stellte die Länge der Gültigkeit der Betriebsbewilligung für das Kraftwerk dar. Während die vier anderen Schweizer KKW über eine unbefristete Betriebsbewilligung verfügen, wurde von Umweltgruppen und kritischer Öffentlichkeit eine sofortige Schließung oder eine Beschränkung der Bewilligung für Mühleberg gefordert. Durch die Schweizer Aufsichtsbehörde und den Weg über gerichtliche Instanzen wurde die Bewilligung zwar neu erteilt, aber bis 2012 befristet. Dem Antrag des Betreibers nach unbefristetem Betrieb wurde nicht stattgeben.

Bei Materialuntersuchungen wurde festgestellt, dass der Kernmantel von Rissen durchzogen ist. Dies hat keinen unmittelbaren Effekt auf den Betrieb der Anlage, führt aber bei Störfällen zu geringeren Sicherheitsreserven. Als Auflage der Schweizer Aufsichtsbehörde HSK wurden zusätzliche Konstruktionen eingebaut, um ein weiteres Aufklaffen der Risse zu verhindern, seither wird der Zustand der Schäden regelmäßig untersucht und auf dessen möglichen Einfluss auf die Betriebssicherheit bewertet. Untersuchungen zeigen ein rasantes Anwachsen der Risse. Die aktuelle PSÜ (Periodische Sicherheitsüberprüfung) zeigt, dass die Risse in den letzten 5 Jahren mehr als einen Meter gewachsen sind. Die meist betroffene Rundnaht ist bereits auf 25 % ihrer Länge eingerissen.

Ein anderes Problem stellt die Nachkühlung der Kondensatoren mit Wasser aus dem Fluss Aare dar. Die Wassertemperatur darf aus ökologischen Gründen 18 Grad nicht übersteigen. An wasserarmen Sommertagen ist der Wärmeeintrag durch das Kraftwerk zu hoch, sodass die Produktionsleistung reduziert oder das Kraftwerk sogar für einige Tage ganz heruntergefahren werden muss, um die maximal zulässige Erwärmung der Aare nicht zu überschreiten.

KKM wurde als Komplettsystem mit Siedewasserreaktor bei General Electrics bestellt, die beiden Maschinensätze wurden von BBC aus Mühleberg geliefert. Die ursprüngliche Produktionskapazität lag bei 306 MWe über zwei zweistufige Turbinen und wurde bis heute auf 355 MWe Nettoleistung gesteigert. Die thermische Leistung des Reaktors beträgt etwa 1000 MW.


Wichtige Zahlen im Überblick

 ReaktortypLeistung
(MW elektrisch)
FertigstellungBetriebsende
KKW Mühleberg Siedewasserreaktor
General Electrics (GE)
3551 (372)2 06.11.1972 Übergabe 2019

1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung

  • Entfernung von Wien (Luftlinie): zirka 850 Kilometer
  • Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in der Schweiz: zirka 4 Prozent
  • Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in der Schweiz: zirka 40 Prozent (2007)
  • Durchschnittliche Jahrestromerzeugung der Anlage 2,883 TWh (2006)
  • Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme (Stand Sommer 2007): 85 TWh
  • Nettostromerzeugung (Verbrauch) der Schweiz insgesamt: 57,8 TWh (2006)

Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle

Unfälle oder Störfälle mit der Freisetzung von größeren Mengen radioaktiver Stoffe sind bisher nicht bekannt geworden.

  • 28.07.1971: Die fertig gestellte Anlage befand sich bereits im Testbetrieb unter voller Leistung, als ein schwerer Turbinenölbrand erheblichen Schaden am Turbogeneratorsatz B und innerhalb des Maschinenhauses anrichtete. Die Wiederherstellungsarbeiten dauerten etwa ein Jahr, sodass der kommerzielle Betrieb mit beiden Turbogeneratoren erst Ende 1972 begann.
  • 08.09.1999: Das schweizerische KKW Mühleberg wurde wegen eines Dampflecks für 13 Stunden abgeschaltet. Eine geringe Menge an radioaktivem Dampf trat dabei aus, gelangte aber nach Angaben der  Werksbetreiberin BKW nicht an die Umgebung. AtomkraftgegnerInnen kritisierten die Aufsichtsbehörden bei dieser Gelegenheit für zu lasche Kontrollen und Vernachlässigung der Aufsichtspflicht.

Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Das KKW Mühleberg stellt für die Stadt Wien mit hoher Wahrscheinlichkeit hinsichtlich direkter Auswirkungen möglicher Störfälle nur ein sehr geringes radiologisches Risiko dar. Selbst bei einem schweren Unfall mit hoher Freisetzung von Radioaktivität ist innerhalb Ostösterreichs nicht mit Evakuierungsmaßnahmen zu rechnen. Für die verbleibende Restlaufzeit muss ein sicherer Betrieb mit entsprechenden Investitionen und Erneuerungen gewährleistet werden. Bei einem weiteren Fortschreiten der Rissbildung am Kernmantel muss der Reaktor noch vor diesem Datum abgeschaltet werden.

In ihrem internationalen Ruf steht die Schweiz für Sicherheit und Qualitätsarbeit. Jedoch wurden in der Vergangenheit – wie nachfolgende bei einer IAEA-OSART-Mission aufgefundene Vorfälle zeigen – beim Betrieb der Anlage Mühleberg auch international gültige Regeln einer guten Sicherheitskultur nicht erfüllt. Dabei scheinen die Ereignisse isoliert betrachtet relativ unbedeutend, lassen aber indirekt Rückschlüsse auf die Sicherheitskultur in der Anlage zu.

  • Arbeiter hielten sich unter einem beladenen Behälter mit abgebrannten Brennelementen auf, während dieser von einem Kran bewegt wurde.
  • Ein Arbeiter kletterte ohne Kopfschutz auf einen Brennstoffbehälter, während dieser noch halb im Wasser lag und seine Oberfläche nass und schlüpfrig war.
  • Ein Gabelstaplerfahrer stieß zurück, ohne den Raum hinter sich zu beobachten, während sich andere Personen im Gefahrenbereich befanden.
  • Zahlreiche Gasflaschen, unter ihnen auch 60 Wasserstoffflaschen, waren nicht korrekt bezeichnet beziehungsweise farblich nicht richtig gekennzeichnet. Anscheinend aufgrund einer daraus resultierenden Verwechselung waren Flaschen mit falschen Gasen an Systeme des Kraftwerks angeschlossen.
  • Öffnungswege automatischer Tore waren teilweise nicht markiert.
  • Unbeaufsichtigte offene Fässer mit Maschinenöl standen in der Turbinenhalle (Brandgefahr), was für einen Siedewasserreaktor besonders gefährlich ist, da die Turbine zum Reaktorwasserkreislauf gehört.
  • Teils unprofessionelle oder gefahrvolle Verwahrung von Equipment und Gegenständen.

In Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde wurden die Standards aber inzwischen verbessert.
Nach der IAEA-OSART-Mission am Standort Mühleberg wurden zahlreiche Verbesserungen vorgenommen, auch erfolgten umfangreiche Investitionen in die Sicherheit der Anlage und teilweise neue Systeme. Dies alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anlage hinsichtlich der angewendeten Technologie als auch ihrem tatsächlichen Alter inzwischen stark in die Jahre gekommen ist.

Die WUA setzt sich für eine baldige Schließung des KKW Mühleberg ein.


Sicherheitssysteme

Das Kraftwerk Mühleberg verfügt über alle für Siedewasserreaktoren üblichen, wesentlichen Sicherheitssysteme. Bei der Errichtung wurden bereits zahlreiche Zusatzoptionen vorgesehen oder implementiert, dazu gehört auch ein Volldruckcontainment, das dem Aufprall einer großen Verkehrsmaschine (Boeing 707) standhalten soll.

Die Anlage verfügt über eine eigene Werksfeuerwehr, Katastrophenschutz- und Evakuierungspläne mit eigens optimiertem Interface für die Krisenkommunikation und Entscheidungswege zwischen Anlage und externen Stellen für Unfälle sowie die gängigen Sicherheitseinrichtungen und Systeme:

  • Akkumulatoren für den kontinuierlichen Betrieb der Mess- und Kontrollsysteme bei einem Stromausfall innerhalb der Anlage und gleichzeitigem Versagen der Außenversorgung
  • Notstromdieselgeneratoren für den Betrieb von Steuer- und Regelsystemen bei totalem Stromausfall
  • Notkühlsystem
  • Redundante Auslegung wichtiger Komponenten wie Kühlmittelpumpen etc.
  • Verbunkertes Notstandssystem SUSAN

Verwendete Quellen und Links 

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