In Europa wurde, nach rund 20 Jahren Frieden, wieder ein Krieg geplant, vorbereitet und auch begonnen. Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Wie auch in Slowenien 1991 befinden sich auf dem Territorium des Staates, in dem die Kriegshandlungen stattfinden, Atomkraftwerke und im aktuellen Fall der Ukraine auch die Reste der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Für Slowenien war der Krieg nach zehn Tagen vorüber, die Kriegsgefahr für das AKW Krsko vorbei, in der Ukraine besteht aus heutiger Sicht wenig Hoffnung auf ein derartig schnelles Ende des organisierten Mordens. 

Krieg und Atomkraft

Kriegshandlungen und Atomkraftwerke sind eine gefährliche Kombination. Jeder Umstand für sich, sowohl Krieg als auch Atomkraft, stellt eine ernste Gefahr für das Leben der Betroffenen dar. Die Kombination ist ungleich tödlicher. Was in Kriegen als akzeptabler Preis angesehen wird ist schwierig vorherzusagen. Die Geschichte zeigt aber, dass der Bereitschaft Tod und Zerstörung zu akzeptieren, bei den jeweilig „Verantwortlichen“, praktisch keine Grenzen gesetzt sind.

Atomkraftwerke sind delikate technische Anlagen. Zu ihrem Betrieb braucht es eine stabile Versorgung mit diversen Betriebsmitteln, Strom und ausreichend qualifiziertes Personal. Selbst unter Einhaltung dieser Rahmenbedingungen können AKW auch in Zeiten des Friedens nicht absolut sicher betrieben werden. Darüber hinaus benötigen AKW eine ständige Betreuung und können nicht wie andere Kraftwerke einfach abgeschaltet und verlassen werden. Es ist leicht zu sehen, dass Kriegshandlungen zu einer Beeinträchtigung all dieser wichtigen Faktoren führen. Durch Kampfhandlungen können Betriebsmittel verzögert oder nicht angeliefert werden. Dem Personal ist es nicht möglich in geordneter Weise Schichtwechsel zu vollziehen, unter Umständen werden Teile des Personals im Zuge von Kriegshandlungen getötet oder fliehen. Die Stromversorgung wird durch kriegerische Handlungen (absichtlich) beeinträchtigt. Zuletzt kann ein Atomkraftwerk unabsichtlich durch Kampfhandlungen beschädigt werden. Man denke hier an fehlgeleitete Raketen, irrtümlichen Artilleriebeschuss und Ähnliches. Neben diesen als Kollateralschäden zu bezeichnenden Ereignissen, kann eine Kriegspartei auch bewusst entscheiden aus strategischen oder taktischen Gründen eine Atomanlage zu zerstören.

In der Ukraine sind zur Zeit besonders die Standorte Süd-Ukraine und Saporischschja betroffen. Es handelt sich dabei um insgesamt neun Reaktoren der 1000 MW-Klasse vom Typ WWER V320. Die Sperrzone um Tschernobyl, stellt im Kriegskontext ein im Vergleich geringeres Problem dar. Die deponierten radioaktiven Stoffe in der Sperrzone wurden und werden auch durch Waldbrände und Sturm regelmäßig wieder mobilisiert und die Kernreaktoren vor Ort befinden sich schon seit längerem (seit 2000) nicht mehr in Betrieb. Im Katastrophenreaktor selbst befinden sich vergleichsweise geringe Mengen an radioaktiven Material, da dieses bereits im Zuge der völligen Zerstörung der Anlage im Jahr 1986 großflächig über Europa verteilt wurde.

Die angeführten Überlegungen zu Kernkraftwerken sind in keinem Fall neu oder überraschend, sondern gehen auf eingehende Analysen des Problems zur Zeit des Kalten Kriegs zurück. Bemerkenswert im Zusammenhang mit diesen Umständen die natürlich für alle AKW - nicht nur jene in der Ukraine - Gültigkeit haben, sind die medial verbreiteten Überlegungen aus Deutschland. Zum einen hat sich Deutschland zur Abkehr von seiner bestehenden militärischen Doktrin entschlossen und will zunächst Mitteln von 100 Milliarden Euro – das entspricht der Summe, die die EU im gleichen Zeitraum für den Kampf gegen den Klimawandel bereitstellen will – in militärische Aufrüstung investieren. Zum anderen wird über den verlängerten Betrieb von AKW nachgedacht, in jenem Jahr in dem das letzte deutsche AKW vom Netz gehen sollte, AKW die gerade im Kriegsfall tickende Zeitbomben sind und potentiell gegen den Betreiberstaat gerichtete Waffen werden können. Militärisch und klimapolitisch rational betrachtet, wäre das Geld wohl besser in den Ausbau der Erneuerbaren Energieträger zu investieren. Das würde sowohl zum Erreichen der Klimaziele wesentlich beitragen, als auch die energetische Abhängigkeit („Gashunger“) vom Ausland beheben und in militärischer Hinsicht weniger Angriffsfläche bieten.

Brand und Kampfhandlungen um KKW Saporischschja

 

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