Japan ist nicht nur ein modernes, hoch technisiertes Land, sondern weltweit eines der führenden Länder auf dem Gebiet der Kernenergie. Die Skepsis gegenüber den Atomkraftwerken wurde nicht nur in Japan, sondern in letzter Zeit besonders in Europa zur Seite geschoben und statt Ausstiegen, Laufzeitverlängerungen, Wiedereinstiege und Neubauten geplant. Gegner der Kernenergie wurden europaweit in den letzten Jahren verstärkt als fortschrittsfeindlich und unrealistisch belächelt.

Zusätzlich zu den Anstrengungen der Japanischen Einsatzkräfte und der AKW-Betreiber bleibt nur noch die Hoffnung, dass der Wind nicht dreht - die Hoffnung von Millionen Menschen im Großraum Tokio, dass die radioaktive Wolke auf den Pazifik getrieben wird.

Jetzt ist es notwendig die Folgen der Katastrophe von Fukushima für die traumatisierte japanische Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. In der Folge aber muss alles getan werden, damit sich eine solche Katastrophe nie wieder ereignen kann. Kernenergie ist keine Lösung, sondern ein riesiges Problem, das unfassbares Potential für Katastrophen birgt.

25 Jahre nach Tschernobyl - Zusammenfassung der Gedenkveranstaltung der WUA
Die Atomkatastrophe in Japan im Detail (Stand 21.04.2011)

Österreich ist von 194 Reaktoren in Kernkraftwerken umgeben

Die Bilder der Katastrophe, die das Leid vieler tausend Menschen zeigen, werden wahrscheinlich das Einzige sein, das Österreich erreicht. Aber auch in Mochovce, Bohunice, Leibstadt, Temelin, Dukovany, Isar, Paks, Beznau, Krsko, Biblis, Gösgen, Mühleberg und vielen weiteren Orten, die zu Österreich nicht weiter als Tokio von Fukoshima entfernt sind, stehen potentielle Ausgangspunkte nuklearer Katastrophen in Europa - teilweise, wie etwa das KKW Krsko, auf einer bekannten und aktiven Erdbebenlinie. In Europa sind mehr KKW in Betrieb als an irgendeinem anderen Ort der Welt und es werden neue geplant und gebaut. Tschernobyl ist vergessen. Italien will wieder Kernkraftwerke. Deutschland verlängert die Laufzeit seiner KKW, die aus der selben Zeit stammen wie Fukoshima.

Die Atomkatastrophe in Japan im Detail (Stand 21.04.2011)

Nahe der Küste bei Honshu (Japan) ereignete sich am 11. März 2011 um etwa 6:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit ein Erdbeben der Stärke 9. In der Folge wurde die Ostküste Japans von einer mehreren Meter hohen Flutwelle getroffen. Die Abschaltung der betroffenen japanischen KKW wurde eingeleitet. Im KKW Fukoshima-Daiichi kommt es durch den Zusammenbruch der Stromversorgung des Kraftwerks zu Problemen bei der Kühlung des abgeschalteten Reaktorkerns. In der Folge wird versucht ein Versagen des Containments des Blocks 1 durch ein kontrolliertes Ablassen von Gas zu verhindern. Es kommt den vorliegenden Berichten zu folge zu einer Wasserstoffexplosion, die Teile der Gebäude des betroffenen Blocks zerstört. Gleichzeitig wird bekannt, dass auch der Block 2 und 3 des Standortes von Kühlproblemen betroffen ist. Im Laufe des Wochenendes wurde die Evakuierung für die Zone bis 20 Kilometer um das Kraftwerk eingeleitet und die Bevölkerung aufgefordert in geschlossenen Räumen zu bleiben.

Bei den betroffenen Reaktoren handelt es sich um Siedewasserreaktoren der Firma Toshiba und Hitachi, die von der TOKYO ELECTRIC POWER CO.,INC. betrieben werden. Am betroffenen Standort befinden sich insgesamt sechs Reaktoren mit einer elektrischen Leistung von etwa 4500 MW. In Kernreaktoren wird auch im abgeschaltenen Zustand noch eine beträchtliche Menge Wärme im Reaktor erzeugt. Diese Nachzerfallswärme entsteht durch den Zerfall von im Brennstoff angereicherten radioaktiven Elementen, die im Zuge des Betriebs des Reaktors erzeugt werden. Dieser Prozess kann durch keine Maßnahmen unterbunden werden. Die entstehende Wärme reicht je nach dem Alter der Brennstäbe für viele Monate aus, um die Stäbe bei fehlender Kühlung schmelzen zu lassen. Im Fall der sogenannten Kernschmelze besteht ein hohes Risiko, dass die letzte Barriere um den Reaktorkern versagt und der geschmolzene Brennstoff in die Umwelt austreten kann.

Vom Erdbeben in Japan sind mehrere KKW entlang der Ostküste Japans betroffen. Die KKW befanden sich vor dem Erdbeben in normalem Betriebszustand und wurden in Folge des Erdbebens automatisch herunter gefahren. Bei den betroffenen KKW handelt es sich um Onagawa etwa 80 Kilometer westlich des Epizentrums des Bebens, Fukushima Daiichi et Fukushima Daini in etwa 145 Kilometer südwestlich, Tokai in etwa 255 Kilometer südwestlich und Higashidori etwa 330 Kilometer nordwestlich des Epizentrums.

Zur Zeit scheinen alle Reaktoren des KKW Fukushima Daiichi auf Grund der fehlenden oder unzureichenden Kühlung des Reaktors in einem höchst kritischen Zustand zu sein. Der Reaktorblock vier war zum Zeitpunkt des Erdbebens nicht in Betrieb. Mehrere Explosionen haben Teile der Reaktorgebäude der Blöcke eins und drei zerstört. Die vorliegenden Meldungen legen nahe, dass es in den Blöcken 1 - 3 des KKW zumindest zu einer teilweisen Kernschmelze gekommen ist. Zur Zeit wird versucht die Reaktoren extern durch die Zuführung von Meerwasser soweit unter Kontrolle zu halten damit die Reaktorgefäße nicht zerstört werden. Dabei scheint das Reaktorgefäß des Blocks 2 durch die Explosion beschädigt worden zu sein. Nach den vorliegenden Meldungen scheinen sich die anderen japanischen KKW noch in einem stabilen Zustand zu befinden.

Nach Medienangaben wurden auch in einem Vorort von Tokio erhöhte Strahlenwerte gemessen. Die Japanische Agentur für nukleare und industrielle Sicherheit (NISA) berichtet in ihrer 23-sten Aussendung (14.03.2011, 19:30 Uhr) zur Lage, dass in der Umgebung des KKW Strahlungswerte von bis zu 231,1 Mikrosievert pro Stunde auftreten. Zum Vergleich, die natürliche Hintergrundstrahlung in Wien beträgt etwa 0,07 Mikrosievert pro Stunde – 0,1 Mikrosievert pro Stunde. Der Druck in den primären Reaktorgefäßen der Blöcke 2 und 3 beträgt gleicher Quelle zu Folge zwischen 300 und 400 kPa. Über dem Kraftwerk wurde eine Flugverbotszone eingerichtet.

Nach Angaben der IAEA kam es zu einem Brand im Becken für abgebrannte Brennstäbe des Blocks 4 bei dem Radioaktivität direkt in die Atmosphäre freigesetzt wurde. Der Brand konnte inzwischen gelöscht werden. Die Dosis im Bereich der Anlage wird von der IAEA mit bis zu 400 Millisievert pro Stunde angegeben (15.03.2011, 6:15 CET).

Die derzeitige Wetterlage lässt die Hoffnung zu, dass in den nächsten Stunden der Wind die freigesetzten radioaktiven Stoffe in Richtung Pazifik treiben wird.

Für den Block 2 ist die partielle Kernschmelze bestätigt. Die Notkühlung mit Meerwasser ist weiter in Betrieb. Das Containment des Reaktors ist durch die vorangegangenen Explosionen beschädigt.

In Block 4 sind die abgebrannten Brennstäbe teilweise nicht bedeckt. Die Kühlung soll durch die japanische Armee aus der Luft aufrecht erhalten werden, auch der Einsatz von Wasserwerfern durch die Polizei ist angedacht.

Für Block 1 und 3 ist die partielle Kernschmelze bestätigt. Die Notkühlung mittels Meerwasser wird so gut wie möglich aufrecht erhalten. Der Druck in den Reaktorbehältern wird durch regelmäßiges Abblasen (von auch radioaktiven Substanzen) reduziert. Möglicherweise ist das Containment des Block 3 auch beschädigt.

In den Blöcken 5 und 6 steigt die Temperatur in den Kühlbecken für die abgebrannten Brennelemente. Im Block 5 soll der Wasserstand des Kühlbeckens deutlich absinken.

Aus zwei Reaktoren werden aktuell Brände gemeldet. Das jüngste Nachbeben hat zu einer weiteren Beeinträchtigung der technischen Strukturen geführt.

Die französische Atomaufsichtsbehörde stuft die Katastrophe derzeit mit 6 auf der siebenteiligen INES Skala ein.

Die Lage im KKW Fukushima Daiichi ist nach vorliegenden Meldungen - eine Woche nach dem Beginn der Katastrophe - schlecht, aber relativ stabil. Jeder Tag an dem sich die Situation in Folge der verzweifelten Bemühungen vor Ort nicht verschlimmert erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Katastrophe ihre maximalen Auswirkungen bereits entfaltet hat.

Betrachtet man die Kommentare aus Staaten, die Kernenergie aktuell nutzen oder die Nutzung planen, so haben offensichtlich nur Deutschland, die Schweiz, die Volksrepublik China und Venezuela es notwendig erachtet, zumindest eine kurze Nachdenkpause einzulegen. Einige wenige, wie etwa Frankreich und die USA, überlegen ihre KKW einer außerplanmäßigen Überprüfung zu unterziehen. Es ist nicht zu erwarten, dass bei diesen Überprüfungen etwas anders festgestellt werden wird als, dass die Kraftwerke ungeachtet ihres hohen Alters absolut sicher sind und mit kleinen und vor allem kostengünstigen Verbesserungen in jedem Fall eine Beeinträchtigung der Bevölkerung außerhalb der Anlage auszuschließen ist. In den anderen Kernenergiestaaten werden aus der Katastrophe überhaupt keine Schlüsse bezüglich der eigenen Situation gezogen.

Wenn sich jetzt nicht auch die Bevölkerung der Kernenergiestaaten zu einer deutlichen Willenskundgebung gegenüber ihrer - der Kernindustrie verpflichteten - Regierungen entschließt und damit zu einem geordneten, weltweiten Ausstieg aus der Kernenergie beiträgt, ist die nächste große Nuklearkatastrophe nur eine Frage der Zeit. Wir können nicht genau sagen wann sie eintreten wird und auch nicht wo, sicher ist nur, dass sie eintreten wird, dass sie uns völlig unvorbereitet treffen wird, und dass sie unendliches Leid über die Betroffenen bringen wird.

Es ist jetzt möglich unter www.atomausstieg.at die Stimme für einen weltweiten Atomenergieausstieg zu erheben.

Nach vorliegenden Informationen scheint sich die Situation im japanischen KKW Fukushima Daiichi zu stabilisieren, ohne dass es zum Schlimmsten gekommen ist. Am 22.03.2011 war es möglich eine externe Stromversorgung für alle sechs Blöcke zu installieren. In den Blöcken 5 und 6 konnte die Kühlung der Abklingbecken wieder hergestellt werden. Die veröffentlichten Temperaturen der beiden Becken liegen wieder im normalen Bereich.

In den schwer beschädigten Blöcken 1 bis 4 besteht derzeit nur eine Stromversorgung für die Schaltanlagen. Bevor tatsächlich Verbraucher versorgt werden können, bedarf es der Prüfung der Funktionsfähigkeit dieser. Sollten die Pumpen in Betrieb gesetzt werden, besteht unter Umständen noch ein Problem durch das bei der Notkühlung eingebrachte Salz aus dem Meerwasser.

In der Zwischenzeit meldet Island, dass der messtechnische Nachweis von 131I (radioaktives Jod) aus Fukoshima auf Isandl erfolgt ist. Die Konzentrationen sind allerdings extrem gering, eine gesundheitliche Gefahr besteht nicht und ist in der Folge auch für Europa nicht gegeben.

Die Langzeitkatastrophe

In den vergangenen Wochen wurde die Ausweitung der Katastrophe durch den heroischen Einsatz einiger weniger Menschen verhindert. Gegenwärtig kann die Lage als katastrophal, aber stabil, bezeichnet werden. In Folge der Maßnahmen im KKW Fukoshima wurden beträchtliche Mengen radioaktiver Substanzen in den Pazifik gepumpt. Die Werte für 131I (radioaktives Jod) und 137Cs (Cäsium) sind im Meer auch in über 10 Kilometer Entfernung deutlich erhöht. In der Präfektur Fukusima wird eine deutlich erhöhte Dosisleistung von bis zu über 4 Mikrosievert pro Stunde gemessen. (Der natürliche Hintergrund beträgt zwischen 0,02 und 0,05 Mikrosievert pro Stunde).

Eine wesentliche Verschlechterung der ohnehin katastrophalen Lage ist zur Zeit unwahrscheinlich. Bevor Maßnahmen zum Einschluss der zerstörten Reaktoren wie etwa in Tschernobyl ergriffen werden können müssen noch einige Monate vergehen.

 

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