Menschliche Siedlungen wurden von jeher sorgsam an die lokalklimatischen Verhältnisse angepasst. Die heute festzustellenden stadtklimatischen Besonderheiten traten mit der zunehmenden Industrialisierung verstärkt hervor und wurden bereits im vorigen Jahrhundert untersucht. Schon der Dichter Adalbert Stifter nimmt in seinen 1844 erschienenen "Studien aus dem alten Wien" auf das Stadtklima Bezug.
Die Niederschlagsverhältnisse sind im Westen und Osten Wiens den landschaftlichen Voraussetzungen entsprechend sehr unterschiedlich. Während im Wienerwald jedes Jahr bis zu 800 Millimeter Niederschlag fallen, erhält der ebene Südosten des Stadtgebietes zum Teil unter 600 Millimeter. In besonders feuchten Jahren können in den höchsten Lagen des Wienerwaldes bis zu 1000 Millimeter erreicht werden, wogegen sehr trockene Jahre im Südosten nur 350 Millimeter Niederschlag bringen.
Was macht das Besondere des städtischen Klimas aus?
Die Stadtluft ist unter den großstädtischen Bedingungen trockener und wärmer geworden. Ein Grund ist hier vor allem die großflächige Versiegelung und der Mangel an feuchtigkeitsspendender und somit auch kühlender Vegetation. Im Vergleich zu den angrenzenden Wienerwaldgebieten liegen die Temperaturen im Stadtgebiet Wiens im Jahresmittel um 2,5 Grad Celsius höher, gegenüber den angrenzenden Teilen des Wiener Beckens immerhin noch um 1,5 Grad Celsius. Innerhalb dieser Wärmeinsel können jedoch vielfältige Differenzierungen auftreten. Ausgedehnte Grünflächen im Stadtinneren stellen Kälteinseln dar und wirken ausgleichend auf die städtischen Klimaverhältnisse. Kleinräumig gilt dies ebenso für bepflanzte Hinterhöfe.
Ursachen des Stadtklimas
In der Stadt werden große Wärmemengen gespeichert. Zwei wesentliche Ursachen sind dafür verantwortlich: warme Abluft aus Heizungen, Industrieanlagen, Kraftwerken und dem motorisierten Verkehr sowie die Speicherung und laufende Wärmeabstrahlung der großen vegetationsfreien Oberflächen von Bausubstanz und Verkehrsflächen. Da ein großer Teil des Stadtgebietes befestigt ist, kann der Boden kaum Niederschläge speichern, die dann über Pflanzen oder durch direkte Verdunstung die Luft befeuchten und kühlen. Aus diesem Grund ist die größtmögliche Offenhaltung noch unverbauter Flächen im dicht bebauten Stadtgebiet so bedeutend!
Abgase von Feuerungsanlagen und Produktionsprozessen sowie Belastungen durch Verkehr bewirken eine Anreicherung der Luft mit Kohlendioxid, Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen, Ozon und Staub. Der erhöhte Teilchengehalt in der städtischen Luft führt nicht nur zu verstärkter Trübung und Dunstbildung, sondern auch zu einem Anstieg der Niederschlagsmengen um bis zu 10 Prozent. Diese Tendenzen verschärfen sich durch die Verbauung von Frischluftschneisen, die einen Luftmassenaustausch zwischen Stadt und Umland ermöglichen.
Aufbau der städtischen Atmosphäre
Bis in eine Höhe von 100 Metern wird die Luftschicht stark durch die Bebauung bestimmt. Die höheren Luftschichten, besonders die bis in 2000 Meter Höhe reichende Stadtgrenzschicht, tragen dagegen noch stark die Kennzeichen des Großklimas. Nur bei Wetterlagen mit geringem Luftaustausch treten die stadtklimatischen Charakteristika (zum Beispiel Smogsituationen, lokale Wärmeinseln) deutlich hervor. Stürmische Großwetterlagen wirken sich in der Stadt in ähnlicher Weise wie im Umland aus. Die Verringerung der Windgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Verstärkung der Düsenwirkung in der Vielzahl der "Häuserschluchten" ist dann besonders spürbar.
Im Durchschnitt verdunstet auf unbebauten Flächen ein Drittel des Jahresniederschlages - in dicht bebautem Gebiet nur mehr 16 Prozent. Denn mit zunehmender Versiegelung des Bodens nehmen Verdunstung und Versickerung dramatisch ab. Ein Großteil des Niederschlages muss dann oberirdisch abgeführt werden, was einen entsprechenden Ausbau von Kanalisation und Kläranlagen erfordert. In der Folge wird die Stadtluft nicht nur trockener, sondern auch wärmer, da Verdunstung zur Abkühlung der Luft führt.
© Fotos: Städtische Grünfläche, Straßenverkehr: W. Doppler, WUA