Amphibien - wanderlustige Verwandlungskünstler
Sie sind klein, kühl, feucht, mit einer weichen, wasserdurchlässigen Haut, die besonders empfindlich gegenüber Pilzerkrankungen und Umweltgiften (z. B. Pestiziden) ist, sie sind wahre Verwandlungskünstler und fühlen sich sowohl im Wasser schwimmend, als auch an Land wohl. Amphibien - Frösche, Kröten, Unken, Salamander und Molche - allesamt sind in Wien streng geschützt und schutzbedürftig. Manche Vertreter (Frösche, Unken, Kröten) sind zudem begnadete “Sänger”. Amphibien nutzen im Laufe ihres Lebens verschiedene Teillebensräume (Winterquartiere, Sommerlebensräume, Laichgewässer). Als Ei (Laich) und in Larvenform mit Kiemen, sind sie ans Wasser gebunden. Später erlauben ihnen Lungen die Eroberung von Landlebensräumen.

amphibienwanderung 1 kleinBei der Wahl ihrer Laichgewässer - der Kinderstube - sind sie sehr wählerisch. Von Stillgewässern (z. B. Frösche, Kröten) über Bäche (z. B. Feuersalamander) bis zu kleinen, nur temporär vorhandenen Wasserpfützen (z. B. Gelbbauchunken) - jede Amphibienart hat ihre Präferenzen. In Wiener Gemüseanbaugebieten wie der Simmeringer Haide, sowie im Donaufeld, nutzen Wechselkröten heutzutage beispielsweise künstliche Wassersammelbecken der Gärtnereien als Laichgewässer - Hauptsache vegetationsarm und fischfrei.

Amphibien erwachen als wechselwarme Tiere im Frühjahr aus der Winterstarre und wandern bei Temperaturen über 5 °C sowie ausreichender Umgebungsfeuchtigkeit (bevorzugt bei Niederschlag) von den Winterquartieren zu ihren Laichgewässern, wo auch sie einst das Licht der Welt erblickten. Arten wie die Erdkröte wandern in Massen schon relativ früh im Jahr (Anfang März). Spring- und Grasfrösche gehören ebenfalls zu den Frühaufstehern. Der Beginn der Blühzeitpunkte von Marille und Salweide gibt uns den Hinweis, dass die Grasfrosch- und Erdkrötenwanderung beginnt. Die fragilen Tierchen müssen sicher zum Laichgewässer hinkommen und nach Ablaichen und Befruchtung erneut zurück in ihre Landlebensräume wandern. Im Frühsommer wandern die sich aus dem Laich entwickelten Jungtiere ebenfalls aus den Gewässern aus.

Etwas später im Jahr (Hauptlaichzeit April - Juni) beginnen die weit wandernden Wechselkröten ihre große Reise, danach kommen die Unken, Laub- und Wasserfrösche in Paarungslaune. Die Zeitspanne der Frühjahrswanderung variiert je nach Art (grob gesagt von Ende Februar bis Mai) und auch im Herbst (cirka Oktober - Mitte November) sind die kleinen Wanderer unterwegs in Richtung Winterquartier. Bei der Hinwanderung trifft man Kröten-, Frosch- und Unkenfrauen häufig bereits mit ihrem Traummann im Gepäck an, was sie verlangsamt.

Autos zählen zu den größten Feinden wandernder Amphibien - bitte langsam fahren!

amphibienwanderung 3 kleinDas Problem ist, dass die verschiedenen Teillebensräume der Amphibien von Straßen zerschnitten werden. Bei Hin- und Rückwanderung wird die Straße mehrfach gekreuzt und eine Überquerung geht jährlich mit unzähligen Todesopfern einher. Der Straßenverkehr ist ein maßgeblicher Gefährdungsfaktor (neben anderen Problemen wie Lebensraumzerstörung, Trockenlegung von Laichgewässern, klimawandelbedingte Austrocknung von Laichgewässern, Pestiziden etc.), der ohne Schutzmaßnahmen zum Erlöschen lokaler Populationen führen kann. Wenn sie nicht direkt überfahren werden, tötet die empfindlichen Geschöpfe allein schon das Vorbeifahren mit über 30 km/h durch den Strömungsdruck.

Amphibienwanderstrecken werden mit entsprechenden Verkehrsschildern gekennzeichnet - daher eine Bitte an alle Autofahrer*innen: in diesen Straßenabschnitten unbedingt langsam (maximal 30 km/h) fahren! Die nützlichen Amphibien sind teils bereits stark gefährdet. Bekannte Wanderrouten der Wiener Amphibien befinden sich im 14. Bezirk (Schottenhof, an der Steinböck- und Rosentalgasse, Amundsen-, Mauerbach-, sowie der Sophienalpenstraße), im 11. Bezirk (Simmeringer Haide, Wildpretstraße, Oriongasse, Kaiserebersdorfer Straße, Mitterweg, Seeschlachtweg und Zinnergasse), im 2. Bezirk (Prater, Aspernallee), im 17. Bezirk (Exelbergstraße beim Schwarzenbergpark) sowie im 21. Bezirk (Senderstraße, Nordmanngasse im Donaufeld, an der Schanze und Alois-Negrelli-Gasse).

Amphibien-Tunnel und Rettungsaktionen mit Zaun und Kübel

amphibientunnel kleinNeben temporären Straßensperren und dem Verzicht aufs Autofahren (besonders in regnerischen Nächten) an bekannten Wanderrouten zur Wanderzeit wäre die optimale Lösung, permanente Amphibien-Tunnel-Leitanlagen zu errichten, welche ein sicheres Geleit unter Straßen hindurch bieten. Sie bestehen aus unüberwindbaren metallenen Leitwänden, an denen sie entlang wandern, bis sie die Untertunnelungen von Straßen erreichen. Auch andere Kleintiere können dadurch sicher Straßen passieren. In Wien befinden sich solche Amphibienrettungstunnel bereits in Penzing an der Amundsenstraße (Bereich Schottenhof) und Rosentalgasse, der Exelbergstraße (Hernals, 8 Tunnel), an der Senderstraße am Bisamberg/Bereich Magdalenenhof (Floridsdorf) und im Prater (Bereich Lusthaus und Aspernallee).

Als Zwischenlösung eignet sich die Zaun-Kübel-Methode, die sich nur mit tatkräftiger Unterstützung durch freiwillige Helfer*innen (ausgerüstet mit Warnweste und Kübel) umsetzen lässt. Dabei werden temporäre Amphibienzäune beidseitig an den Straßenrändern aufgestellt. Amphibien stoßen während ihrer Wanderung auf diese Zäune und wandern an ihnen entlang, auf der Suche nach einem Durchgang. An einigen Stellen sind im Boden Kübel mit Löchern an der Unterseite (das Wasser muss abfließen können) eingegraben, sodass die Tiere früher oder später in einen dieser Kübel hineinfallen. In den Kübeln befindet sich ein Stock, damit andere Tierarten wie Mäuse oder diverse Insekten wieder hinausklettern können, unsere amphibischen Freunde aber im Kübel bleiben.

amphibienwanderung 4 kleinIn den Abend- und Nachtstunden sowie in den Morgenstunden, werden die Kübel während eines Kontrollgangs auf amphibische Insassen geprüft. Die Amphibien werden vorsichtig herausgenommen und in eigenen Kübeln sicher auf die andere Straßenseite getragen. Werden die Tiere morgens nicht herausgenommen, so können die Kübel bei Sonneneinstrahlung zur Todesfalle werden. Regelmäßige Kontrolle während der Wanderungszeit ist daher unerlässlich. Motivierte, freiwillige Helfer*innen, die regelmäßig einmal wöchentlich an einem fixen Wochentag vorbeikommen und Schichten übernehmen möchten (z. B. Morgenmenschen in den Morgenstunden oder die Nachtschicht für „Nachteulen“), können sich bei einer lokalen Amphibienrettungs-Initiative melden. Es gibt auch betreute Rettungsaktionen ohne Amphibienzäune (z. B. bei Wechselkröten, welche in weniger stark ausgeprägten Wanderkorridoren unterwegs sind), wobei Tiere direkt von der Straße gesammelt und sicher auf die andere Seite gebracht werden.

Wo in Wien kann ich mithelfen und Amphibien-Held*in werden?

amphibienwanderung 2 kleinWer bereits selbst bei solchen Rettungsaktionen mitgemacht hat und diese kleinen, zarten und schutzbedürftigen Wesen in den Händen gehalten hat, kennt das wunderbare Gefühl, aktiv Leben zu retten. Bei vielen Rettungsaktionen werden gleichzeitig Daten erhoben, wie Anzahl, Art und Geschlecht der kleinen Wanderer. Das unterstützt einerseits die Forschung und kann langfristig dazu führen, dass an Wander-Hotspots künftig fixe Tunnel-Leitanlagen errichtet werden.

Hier einige Beispiele von aktuellen Amphibienrettungs-Projekten in Wien:

  • Beim Hanslteich (Hernals) organisiert der “Verein gegen Tierfabriken” (VGT) sehr engagiert eine Rettungsaktion mittels Zaun-Kübel-Methode von März bis Mitte Mai. Der temporäre Zaun wird durch die Stadt Wien - wechselkroete kuebel klein Umweltschutz  aufgestellt.
    An der Mauerbachstraße bei Schloss Laudon (Penzing) findet ebenso eine vom VGT organisierte Rettungsaktion statt (ohne Zaun). An beiden Strecken sind Großteils Erdkröten unterwegs, aber auch zahlreiche Frösche und Salamander, sowie beim Hanslteich auch seltene Arten wie der Alpenkammmolch. Einschulungstermine finden am 26. Februar 2023. um 14 Uhr und am 3. März 2023. um 15 Uhr beim Hanslteich statt. Wer Interesse hat einmal wöchentlich eine Morgen- (etwa 7 Uhr) oder Abendschicht (etwa 22 Uhr) zu übernehmen und sich einschulen zu lassen, meldet sich unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Zudem gibt es eine Facebook Gruppe.
  • Am Schottenhof (Penzing, Amundsenstraße 5) erfolgt die Betreuung durch die Intiative “Amphibienschutz Wiener Wald”. Auch hier gibt es die Möglichkeit, Morgenschichten (Dauer cirka 30 Minuten, um etwa 7:00 - 8:00 Uhr) oder Abendschichten (bis zu 2 Stunden, Anfang März um etwa 18:00, später gegen 20:00) ein bis zweimal pro Woche zu übernehmen. Bei Interesse und Fragen zur Einschulung bitte das Kontaktformular ausfüllen.
  • Bei der Simmeringer Haide (Simmering) finden Rettungsaktionen ohne Zaun nach Sonnenuntergang, betreut durch die Biologin Frau Martina Staufer und gefördert von der Stadt Wien - Umweltschutz, statt. Vor Ort befindet sich einer der Verbreitungsschwerpunkte der Wiener Wechselkröten . Die Kröten werden direkt von der Straße eingesammelt. Die Wanderung wird je nach Temperaturen zwischen Mitte und Ende März beginnen und von April bis Mai ihren Höhepunkt erreichen. Meist sind die Retter*innen in Zweier-Teams unterwegs (zu Fuß oder mit dem Fahrrad) und Einschulungen finden am Beginn der ersten Rettungsaktionen statt. Bei Interesse zum Mitmachen und Fragen zur Einschulung bitte melden bei: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
  • Auch im Donaufeld (Floridsdorf) finden abendliche Wechselkröten-Rettungsaktionen je nach Wetter etwa ab April und ohne Amphibienschutzzaun statt. Dabei werden die typischen Wanderstrecken abgegangen. Bei Interesse an Einführungsterminen bitte bei Frau Dr. Spacek  Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! melden. Während der Amphibienwanderung wird folgende Mail-Adresse zur Koordinierung der Helfer*innen verwendet: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Literatur:

© Fotos: Bild 1 bis 5: Ramona Cech, Bild 6: Martina Staufer

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