Künftige Gartenbesitzer*innen stellen sich dem Artensterben entgegen
Kinder wachsen heutzutage bereits in eine sehr insektenarme Zeit hinein. Vor Jahrzehnten waren Windschutzscheiben noch übersät mit toten Fluginsekten, Straßenlaternen und andere künstliche Lichtquellen umschwirrt von zahllosen Insekten und unsere Gärten voll von kleinen, nützlichen Krabblern. Mittlerweile sind leider häufig gemähte, überpflegte Gärten mit englischem Rasen und Thujenhecke, welche nur noch Habitate für Rasenroboter darstellen, oder gar pflanzenlose Schottergärten – eine Wüsten für Insekten – ein häufiger Anblick. Im Siedlungsraum gibt es immer weniger verwilderte Rückzugsorte, während in ländlichen Gegenden Insektenbestände durch den Einsatz von Pestiziden abnehmen.                   

Immer mehr Studien (unter anderem aus unserem Nachbarland Deutschland) belegen den dramatischen Rückgang von Insektenbiomasse (76 – 82 % innerhalb von 27 Jahren, auch inworkshops bioforschung3 klein Schutzgebieten) und Artenzahl (innerhalb von 10 Jahren auf Wäldern und Wiesen um über ein Drittel weniger Arten). Zahlreiche von Insekten abhängige Tiere (Fressfeinde) wie Fledermäuse, Vögel, Igel, Eidechsen, Amphibien und Co, sowie auf Insektenbestäubung angewiesene Pflanzen, sind dadurch ebenfalls gefährdet. Um dieser erschreckenden Entwicklung entgegenzuwirken, ist es essentiell, mit Bewusstseinsbildungsaktionen schon bei der jungen Generation und künftigen Garten- und Balkonbesitzer*innen anzufangen. Daher hat die Wiener Umweltanwaltschaft die Bioforschung Austria beauftragt, fünf halbtägige Workshops für Schüler*innen abzuhalten.

Von Wildbienen-Villen, über Reptilienburgen zu Amphibiengewässern

workshops bioforschung1 kleinDas Projekt lautete „Wie helfe ich der Natur im Garten?“ und konnte insgesamt 92 Kinder aus drei verschiedenen Schulen (Volksschule und Gymnasium) im September und Oktober 2022 für das Leben im Garten, im Boden und am Totholz begeistern. Thema waren auch Stoffkreisläufe in der Natur, Wildbienen, Beziehungen verschiedener Lebewesen zueinander (Fressen – gefressen werden, aber auch Wechselbeziehungen, die beiden Lebensformen nutzen, wie beispielsweise Bestäuber-Blüte-Beziehungen). Es konnte vermittelt werden, wie Wildtieren im eigenen Garten geholfen werden kann, z. B. Verstecke und Lebensräume schaffen, wie Totholz, Nisthilfen (Nistkästen für Höhlen- und Freibrüter sowie Schauwildbienennisthilfen wurden gezeigt), Laubhaufen, Biotope, wilde Ecken im Garten, und wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll (ruhig, nicht streicheln etc.). Während Totholz Käferlarven, diversen anderen Insekten und Pilzen mundet, bieten Höhlen im stehenden Totholz wertvolle Niststrukturen für Vögel und Fledermäuse. Laubhaufen, aber auch vertrocknete, braune, scheinbar tote Pflanzenstängel und ein Wirrwarr aus Ästen können überlebenswichtige „Winter-Villen“ für zahlreiche Arten wie Insekten, Igel, Reptilien und Amphibien sein. Steinhaufen können Reptilien beim Sonnentanken unterstützen und, wenn es kühler wird, als Rückzugsort dienen. Aus nächster Nähe konnten die Kinder auch Teichbewohner begutachten, wie Libellenlarven, Rückenschwimmer, Kaulquappen und Larven vom Teichmolch sowie ein artenreiches Biotop am Gelände der Bioforschung Austria. Für das Überleben von gefährdeten Amphibien sind fischfreie Gewässer wie Gartenteiche eine wichtige Voraussetzung.

Auf Tuchfühlung mit fleißigen Bodenbewohnern und nützlichen Krabblern

workshops bioforschung2 kleinAuch die biologische und konventionelle Landwirtschaft war ein wichtiger Diskussionspunkt. Die Schüler*innen bestaunten in der sogenannten Wurzelarena, einer Schaustation, in der Wurzeln im Boden hinter einer großen Glasscheibe beobachtet werden können, die Arbeit fleißiger Regenwürmer, welche für fruchtbare Böden – die Grundlage unserer Ernährung – sorgen. Zunehmend leiden diese aber unter dem Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln. Winzige Bodenlebewesen wurden auch unter dem Mikroskop betrachtet. Eine Klasse durfte mit Becherlupen Insekten und Spinnentiere kurzzeitig einfangen und bestimmen lassen. Sogar ein stattliches Reh präsentierte sich den meisten Schulklassen.

Quellen:

  • Hallmann et al. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS ONE. DOI: 10.1371/journal.pone.0185809. 
  • Seibold et al. (2019): Arthropod decline in grasslands and forests is associated with drivers at landscape level. Nature. DOI
  • Cardoso et al. (2020): Scientists' warning to humanity on insect extinctions. Biological Conservation. DOI 

© Fotos: Ramona Cech

TPL_WUA_ADDITIONAL_INFORMATION