Das Umweltbewusstsein der Bevölkerung steigt
Immer öfter wird die Wiener Umweltanwaltschaft, als Anlaufstelle für Bürger*innenanfragen und -beschwerden, mit der Thematik Geschäftsbeleuchtung zu später Stunde konfrontiert. Sei es, weil sich Anrainer*innen durch nächtliche Geschäftsbeleuchtung, welche auch in ihr Schlafzimmer dringt, gestört fühlen oder weil die zunehmend umweltbewusste Bevölkerung in einer von der Energiekrise und Klimakrise gebeutelten Zeit beginnt, den übermäßigen Einsatz von Kunstlicht im Freien kritisch zu hinterfragen. Vor dem Hintergrund der Biodiversitätskrise, des allgegenwärtigen Insektensterbens, wächst auch das Bewusstsein um die negativen Auswirkungen von künstlicher Außenbeleuchtung auf die Natur. Das Thema Energiesparen ist so aktuell und dringend wie nie zuvor. Kund*innen erwarten zunehmend auch von Unternehmen umweltfreundliches Verhalten. Von nächtlichem Abschalten können demnach Unternehmer*innen selbst in vielfacher Hinsicht profitieren. Mit gezielt beworbenen Anstrengungen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung zum Schutz von Biodiversität und Umwelt können Unternehmen bei Kund*innen einen positiven Eindruck hinterlassen und sich von der Konkurrenz abheben.

geschaeftsbeleuchtung3 kleinDas Abschalten unnötiger Beleuchtung in Zeiträumen, in denen sie den Betreiber*innen keinen Nutzen mehr bringen, spart einerseits Stromkosten und kann andererseits als gegenüber der Umwelt verantwortungsvolles Handeln vermittelt werden. Unternehmer*innen, für die Nachhaltigkeit bereits einen besonders hohen Stellenwert hat, können in der Vermeidung von Lichtverschmutzung einen weiteren großen Hebel finden, um ihre Umweltperformance zu verbessern. Weiters können Maßnahmen zum Schutz vor Lichtverschmutzung durch gezielte Lichtlenkung auf die zu beleuchtenden Objekte (von oben nach unten) sowie durch die Wahl von Leuchtmitteln mit geringem Blaulicht/UV-Anteil (Lichtfarbe <3000 K) und geringen Lumen-Werten (Lichtstrom) gesetzt werden. Für Anbieter*innen sehr teurer Ware können Absperrvorrichtungen (z. B. Scherengitter), Überwachungskameras-(Attrappen) oder mit Bewegungsmeldern gesteuertes Licht mit geringeren Auswirkungen auf Flora und Fauna, ebenso vor Einbrechern schützen.

Informations-Projekt der Wiener Umweltanwaltschaft - Zielgruppe: Unternehmer*innen geschaeftsbeleuchtung2 klein

Im Rahmen eines Bewusstseinsbildungs-Projekts („Nachhaltige Geschäftsbeleuchtung“) wurden von der Wiener Umweltanwaltschaft seit Herbst 2022 gezielt Unternehmen mit Schaufenster- und sonstiger Geschäftsbeleuchtung, die nach 22 noch eingeschaltet sind, kontaktiert und auf die Problematik der Lichtverschmutzung hingewiesen. Auch aufgrund von Bürger*innen-Beschwerden (Voraussetzung: Geschäftsbeleuchtung nach 22 Uhr) wurden Unternehmen kontaktiert.

Es werden den Unternehmen Initiativen vorgestellt, wie beispielsweise das Projekt „22 Uhr-Licht aus“, oder die „Earth Night“ (eine jährlich stattfindende, symbolträchtige Aktion, bei der im Monat September bei Neumond ab 22 Uhr künstliche Außenbeleuchtung für eine ganze Nacht lang abgeschaltet werden soll). Zudem informiert die WUA über die Vorteile eines freiwilligen Abschaltens nach Ladenschluss (Kostenersparnis, Imagevorteil, aktiver Beitrag zum Umweltschutz). Bisher wurden 73 Unternehmen kontaktiert. Von jenen, die sich zurückgemeldet haben, hat der Großteil (>83%) zugesichert, seine Geschäftsbeleuchtung nun früher abzuschalten. Selbst einige Unternehmen, die nicht direkt auf die Mail der WUA antworteten, haben ihre Beleuchtungszeiten angepasst und teilen dies in Einzelfällen sogar mit einem Hinweisschild ihren Kund*innen mit, dass nun der Umwelt zuliebe früher abgeschaltet wird. Besonders erfreulich und effektiv ist der Umstand, dass viele große Unternehmen mit zahlreichen Filialen (in ganz Österreich sowie im Ausland) zugesichert haben, ihre Beleuchtungsdauer zu reduzieren. Im Rahmen der Fortführung des Projekts können sich Wiener Bürger*innen gerne weiterhin beteiligen und an die WUA wenden (mit Standort - Adresse des Betriebs, Namen des Betriebs, Fotoaufnahme nach 22 Uhr, sofern die Geschäftsbeleuchtung zu diesem Zeitpunkt noch in Betrieb ist).

Vorbilder gegen Lichtverschmutzung

Als besonders vorbildlich möchte die WUA einige verantwortungsvolle Unternehmen namentlich nennen, die auf unsere Initiative reagiert haben und ihr Licht spätestens um 22 Uhr abschalten: Reformhaus Prokopp, The Body Shop und Denns Biomarkt.

Einige Unternehmen versuchen ihren Energieverbrauch weiter zu senken, indem sie beispielsweise neben der Umrüstung auf energiesparende LED-Leuchtmittel die Temperatur in ihren Geschäftsräumlichkeiten und Filialen absenken (z. B. eine Begrenzung auf 19 °C bei Prokopp). Die WUA dankt aber ebenso allen motivierten Kleinunternehmer*innen, die beschließen, früher abzuschalten und damit ihren Beitrag für ein lebenswertes Morgen leisten.

Hintergrundinformation: Nächtliches Licht im Überfluss belastet Klima, Flora und Fauna

geschaeftsbeleuchtung1 kleinModerne Beleuchtungstechnik (LED) verbraucht weniger Strom, führt jedoch dazu, dass in steigendem Ausmaß beleuchtet wird, wodurch Energieeinsparungseffekte zunichtegemacht werden und in Summe der Energieverbrauch und damit zusammenhängende Treibhausgasemissionen in enorme Höhen schießen. Besonders blaues Licht wird stark gestreut, der Nachthimmel wird aufgehellt und über Städten bilden sich kilometerweit sichtbare Lichtglocken. Allein zur Aufhellung des Wiener Nachthimmels wird jährlich eine Energiemenge verschwendet, welche 100.000 Haushalte mit Strom versorgen könnte bzw. 100.000 t Treibhausgasemissionen verursacht. Lichtverschmutzung nimmt weltweit jährlich etwa um 2 - 6 % zu, mit ernsthaften Folgen für die sich bereits vielerorts im Rückgang befindliche Biodiversität: Nächtliches Kunstlicht gaukelt Organismen eine unnatürlich längere Tagesdauer vor und stürzt damit von der Jahreszeit abhängige Entwicklungserscheinungen im Tier- und Pflanzenreich ins Chaos (z. B. Blütenbildung, Eintreten in Überwinterungsstadien), was mitunter tödliche Frostschäden zur Folge hat. Bei empfindlichen Pflanzenarten reichen schon wenige Minuten Kunstlichtanstrahlung aus, um das Timing von Entwicklungsschritten zu verändern. Das Wechselspiel voneinander abhängiger Organismen (z. B. Bestäuber und Blütenpflanzen) kann durch Kunstlichteinfluss ebenfalls aus dem Takt geraten.

Die lebenswichtige, nächtliche Erholungsphase von Pflanzen und tagaktiven Tieren (inklusive dem Menschen) wird nachweislich schon bei sehr geringen Beleuchtungsstärken beeinträchtigt und geht mit negativen Folgen auf die Überlebenschancen einher. Beispielsweise weisen nachts beleuchtete Pflanzen mehr Blattschäden auf, weil sie sich nicht von schädlichen Umwelteinflüssen des Tages (wie UV- und Ozonschäden) regenerieren können. Die Melatoninproduktion, essenziell für erholsamen Schlaf, wird bei Tieren durch Kunstlicht unterdrückt - bei Kleinsäugern wie Nagetieren bereits bei 0.03 lux. Zum Vergleich: Eine Kerze erzeugt auf einer 1 m entfernten Fläche eine Beleuchtungsstärke von 1 Lux, in einer sternenklaren Nacht bei Neumond misst man etwa 0,00017 Lux.

Insekten werden in Massen von Kunstlicht angelockt und können, einmal im Lichtkegel gefangen, ihrem Erschöpfungstod durch desorientiertes Umherflattern nicht mehr entrinnen. Es können bis zu 100.000 Insekten pro Nacht Opfer einer einzigen Lichtquelle werden. Sie fehlen folglich als essenzielle Bestäuber und Nahrungsgrundlage für zahllose Tierarten. Die innerartliche Kommunikation und der Fortpflanzungserfolg werden durch Kunstlicht negativ beeinflusst - am anschaulichsten wird dieses Beispiel bei Glühwürmchen. Lichtscheue, nachtaktive Tierarten werden zudem in ihrer Aktivität und ihren Verbreitungsmöglichkeiten eingeschränkt. Fledermäuse werden bereits bei einer Beleuchtungsstärke von 0,1 Lux beeinflusst und fliegen bei direkter Beleuchtung nicht oder verspätet aus ihren Quartieren aus, was Folgen wie Unterernährung, reduzierten Fortpflanzungserfolg bis zum Hungertod nach sich zieht. Viele Arten meiden beleuchtete Bereiche.

Bisher besteht ein sehr eingeschränkter rechtlicher Handlungsspielraum zur Begrenzung von übermäßiger, sicherheitstechnisch nicht notwendiger Außenbeleuchtung. Nur bei Störung von Anrainer*innen durch gewerbliche Betriebsanlagen, Blendung im Verkehr sowie bei Lichtemissionen durch Veranstaltungsstätten bestehen in Wien bisher gesetzliche Möglichkeiten, erhöhten Lichtemissionen nach der einschlägigen ÖNORM O 1052 zu begegnen. Vielfach sind für den effektiven Schutz von Natur und Mensch vor Lichtimmissionen Freiwilligkeit und Verantwortungsbewusstsein von Verursacher*innen gefragt.

Mehr Informationen zu den Auswirkungen auf Flora und Fauna und Gesundheit

© Fotos: Ramona Cech

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