GLOBAL 2000 und die Wiener Umweltanwaltschaft veranstalten den 3. Raupentag - Pressetext
Viele Menschen freuen sich über hübsche Schmetterlinge in ihrem Garten. Zugleich sind ihre Kinder, die Raupen, deutlich weniger beliebt und werden nicht selten in der Sorge, Schädlinge zu sein, entfernt oder bekämpft. Dies in den allermeisten Fällen ganz zu Unrecht, denn von den 4.000 Arten von Schmetterlingsraupen sind höchstens eine Handvoll Schädlinge. Alle anderen sollten wir als wichtigen Teil unseres Ökosystems und als Vorstufe teils seltener und wunderschöner Schmetterlingsarten im Garten und auf Begleitflächen biologischer Landwirtschaft begrüßen, ja sogar fördern. Deshalb steht der 18. Juni auch dieses Jahr wieder ganz im Zeichen der Raupe. Die Wiener Umweltanwaltschaft (WUA) und die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 wollen auf die wichtige ökologische Bedeutung der Schmetterlingsraupen aufmerksam machen.

Wer Schmetterlinge liebt, der schützt die Raupen

raupentag1 klein Schmetterlinge durchlaufen für ihre Entwicklung eine vollständige Metamorphose: Vom Ei zur Raupe, zur Puppe und schlussendlich zum Falter. Dem Raupenstadium kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da es das Fressstadium der Schmetterlinge ist und bis zu mehrere Jahren dauern kann. Es gibt sogar erwachsene Falter, die gar keine Mundwerkzeuge haben, weil sie nur so kurz leben, dass sie gar keine Nahrung aufnehmen müssen. Dazu zählen etwa das Kleine und das Wiener Nachtpfauenauge. Die wesentliche Aufgabe des Falters in diesem Entwicklungszyklus ist die Vermehrung. So wichtig viele Falter als Bestäuber sind, so wichtig sind Raupen auch als Nahrungsgrundlage für andere Tiere, sowie als Zersetzer von organischem Material und als Baustein zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Grüne Pflanzenteile, Früchte, Holz, Pilze, ja sogar Tierhäute werden von Schmetterlingsraupen gefressen, verdaut und dann als natürlicher Dünger wieder ausgeschieden. Dabei können Raupen in wenigen Wochen das dreitausendfache an Gewicht zunehmen. Um diese Stoffwechselleistung einmal zu versinnbildlichen, stelle man sich ein Menschenbaby vor, das bei seiner Geburt 3 Kilogramm wiegt und nur zwei Monate später das Gewicht zweier ausgewachsener Elefanten auf die Waage bringt.

Gefährdete Schönheiten mit unglaublichen Fähigkeiten

„Nicht nur die Schmetterlinge sind schön, sondern auch die Raupen! Sie haben total coole Formen, manche sind ganz bunt. Raupen sind so wandelbar und faszinierend wie Pokémon - nur in echt“, zeigten sich die jungen Raupen-Fans rauptentag3 klein beim Fotoshooting auf der Wiener Schmetterlingswiese begeistert!

„Raupen stehen auf dem Speiseplan vieler tierischer Räuber und sind somit ein wesentlicher Teil in den Nahrungsketten unserer Ökosysteme. Ein Schmetterlingsweibchen legt hunderte bis tausende Eier. Von den daraus schlüpfenden Raupen entwickelt sich nur ein kleiner Bruchteil zu Faltern. Die allermeisten werden gefressen“, erklärt Dominik Linhard, Biologe von GLOBAL 2000. "Vor allem Vögel sind vielfach von dieser Futterquelle abhängig. Der Rückgang der Vögel steht also auch im Zusammenhang mit dem Rückgang der Raupen und Schmetterlinge. Aber auch viele Reptilien, Igel, Kleinsäuger und Amphibien ernähren sich zum Teil von Raupen“, so Linhard weiter. Damit trotz der Ablage von hunderten bis tausenden Eiern pro Schmetterlingsweibchen wenigstens so viele überleben, dass die Population erhalten bleibt, haben Raupen fantastische Überlebenstricks entwickelt. So wurden in Hawaii nach Schnecken und anderen Insekten jagende Raupen entdeckt. Andere Raupen leben auf oder sogar unter Wasser oder können sich bei Überschwemmungen auch unter Wasser weiterentwickeln. Manche Raupen warnen Feinde mit Zirp-Geräuschen so laut wie Telefone oder mit chemischen Waffen. Die Raupe des heimischen Großen Gabelschwanzes vermag ätzende Ameisensäure bis zu 30 cm weit zu verspritzen. Andere „fliegende“ Raupen – wie die des Schlehen-Bürstenspinners – verteilen sich über Kilometer mit dem Wind, ein Vorgang der Ballooning genannt wird. Besonders spannend ist die perfekte Tarnstrategie des Birkenspanners. In seiner Haut befinden sich Sehzellen, die der Raupe erlauben, sich ähnlich einem Chamäleon farblich an die Umgebung anzupassen. Einige Arten von Ameisenbläulingen werden nicht wie sonst üblich von Ameisen verspeist, sondern von ihnen durch chemische Tarnung oder Zuckerausscheidungen geschützt, gepflegt, gefüttert oder ernähren sich sogar von der Ameisenbrut.

Der Mensch hat Schmetterlinge in hundert Jahren womöglich auf ein Hundertstel reduziert

raupentag2 klein Aber all diese staunenswerten Überlebensstrategien helfen den Raupen nicht gegen die menschlichen Eingriffe in die Natur. „In Österreich sind mehr als die Hälfte aller Tagfalter und ca. 40 % aller Nachtfalter gefährdet. Studien aus der Schweiz legen sogar nahe, dass wir die Anzahl der Schmetterlinge in Mitteleuropa in den letzten hundert Jahren auf ein Hunderstel reduziert haben“, zeigt sich Marion Jaros von der Wiener Umweltanwaltschaft über den Fortbestand dieser wichtigen Tiergruppe sehr besorgt. Dies ist in erster Linie auf die Zerstörung von Lebensräumen (z.B. Intensivlandwirtschaft mit Düngung und Pestizidanwendung, Flächenverluste, Lichtverschmutzung, Klimakrise) und mit dem damit verbundenen Verschwinden von Futterpflanzen für die Raupen zurückzuführen. „Ohne Raupen keine Schmetterlinge und ohne Futterpflanzen keine Raupen. Wir müssen dafür sorgen, dass in unserer Kulturlandschaft und in unseren Gärten wieder mehr Vielfalt an Strukturen und heimischen Pflanzen Einzug hält, sonst werden immer mehr der bunten Schmetterlinge und andere Insekten verschwinden“, erklärt Dominik Linhard von GLOBAL 2000. GLOBAL 2000 fordert deshalb einerseits von der Bundesregierung einen konkreten und umfassenden Aktionsplan für den Artenschutz in Österreich und ruft andererseits mit der Initiative „Nationalpark Garten“ mit dm Österreich zu mehr Artenvielfalt in Hausgärten auf.

Inspiration für Hobbygärtner*innen

Die Wiener Umweltanwaltschaft hat mit der Schmetterlingswiese im Donaupark ein wunderbares Beispiel geschaffen, wie eine Fläche gestaltet und gepflegt werden kann, sodass eine Vielfalt an Lebensräumen entsteht, von der raupentag5 klein unterschiedlichste Schmetterlinge profitieren. Andrea Schnattinger, Biologin und Wiener Umweltanwältin berichtet: „Die Schmetterlingswiese in Wien ist ein besonders gutes Beispiel, wie Grünflächen ökologisch entwickelt werden können, um der Vielfalt an heimischen Raupen und Schmetterlingen, sowie vielen anderen Tieren, auch in Städten ein Zuhause zu geben. In diesem Beispiel können alle Menschen, die für Lebensräume verantwortlich sind, sehr viele Ideen finden. Wesentlich sind die ganzjährige vielfältige Struktur durch spätes und mosaikartiges Mähen und die Entfernung von Mähgut. Die Stadt Wien hat mit ihrer Strategie zur Pestizidreduktion und der Wiener Wald- und Wiesen-Charta in den letzten beiden Jahren wichtige Schritte gesetzt, Artenvielfalt und natürliche Lebensräume in Wien zu schützen und zu erweitern.“

5 Tipps zum Schutz von Schmetterlingsraupen

  • Pflanzen Sie im Garten wertvolle heimische Sträucher wie Schlehe, Salweide, Haselnuss, Brombeeren oder Weißdorn, denn viele Raupen brauchen sie als essentielle Futterpflanze. Hier eine Hitliste mit den besten Förderpflanzen für unsere Schmetterlingsvielfalt.
  • Legen Sie ein mageres, leicht sandiges Wildblumenbeet an. Hier 10 der Top-Nektarquellen für Schmetterlinge wie attraktive Distelarten, Wasserdost, Kartäusernelken, Ackerwitwen- und Flockenblumen. Tolerieren sie zudem natürlich aufkommende Beikräuter wie Brennnesseln oder Klee-Arten und geben sie der Natur ein Fleckerl im Garten zurück, indem Sie nur ein- bis zweimal jährlich mähen und auch einige Halme über den Winter stehen lassen. Schmetterlinge brauchen ungestörte Plätze um ihre gesamte Entwicklung durchmachen zu können.
  • Verzichten Sie auf Kunstdünger, denn dieser reduziert die Vielfalt an Raupenfutterpflanzen und Nektarquellen für Schmetterlinge. Kunstdünger verändert zudem die Chemie der Pflanzen, was sie für Schmetterlinge weniger wertvoll macht. Es kann sogar passieren, dass die Tiere ihre Nahrungspflanzen nicht mehr erkennen, weil der Dünger deren Duft verändert.
  • Verzichten Sie auf chemisch-synthetische Pestizide, denn diese sind sowohl eine akute als auch eine langfristige Gefahr für Schmetterlinge und andere Lebewesen. Behandeln sie keinesfalls blühende Pflanzen!
  • Reduzieren Sie die Außenbeleuchtung zum Schutz von nachtaktiven Tieren.

Material zum Raupentag am 18. Juni:

Raupenplakat: Die Wiener Umweltanwaltschaft und GLOBAL 2000 haben gemeinsam ein Raupenplakat entwickelt, das die Vielfalt und Schönheit der heimischen Schmetterlingsraupen zeigt.
Weitere Infos über das Artensterben der Schmetterlinge und Insekten in Österreich finden Sie im Schmetterlingsreport und im Insektenatlas.

© Fotos: Dominik Linhard

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