Am 22. Mai ist  Tag der biologischen Vielfalt – vor exakt 32 Jahren einigten sich die vereinten Nationen auf die Inhalte der Biodiversitäts-Konvention zum Schutz dieser kostbaren Vielfalt. Zur Feier des Tages wollen wir der Frage auf den Grund gehen, welche Spuren unser Konsum auf die Artenvielfalt hinterlässt.

biodiversitaetshotspot monokultur kleinLandnutzung und Landnutzungsänderung (z. B. Umwandlung eines Waldes in Acker- oder Weideland) sind Verursacher des Artensterbens bzw. Artenverlustes und wirken sich umso negativer auf die biologische Vielfalt aus, je artenreicher das ursprünglich vorhandene Ökosystem war (z. B. bei tropischen Regenwäldern). Zudem sind die Auswirkungen abhängig von der Art der Landnutzung (Monokultur vs. Mischkultur etc.) und der Nutzungsintensität (intensiver Landbau mit hohem Pestizid- und Kunstdüngereinsatz vs. extensiver/Bio-Landbau). Manche Tier-, Pflanzen- und Pilzarten reagieren empfindlicher auf menschliche Landnutzung, manche Arten profitieren sogar von wenig intensiver Landnutzung („Kulturfolger”). Zahlreiche Produkte werden nicht dort produziert, wo sie konsumiert werden und die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt am Produktionsort sind schwer nachvollziehbar und weit weg vom Ort des Konsums. Wie lassen sich die Spuren, die wir durch unser Konsumverhalten hinsichtlich der globalen Artenvielfalt hinterlassen, „begreifbar” machen?

Der Biodiversitäts-Fußabdruck

Neben dem CO2-Fußabdruck, der die Klimaauswirkungen unseres Konsums aufzeigt, bemisst der ökologische Fußabdruck den Landverbrauch desselben. Der sogenannte Biodiversitäts-Fußabdruck drückt hingegenartenreicher tropischer regenwald klein die Gesamtheit der Biodiversitätsverluste (ausgedrückt als Summe aller vernichteten Populationen) aus, verursacht durch die notwendige Landnutzung, um unseren Konsum zu befriedigen. Eine Population ist eine Gruppe von Individuen derselben Art innerhalb eines bestimmten Gebietes, die sich untereinander fortpflanzen. Jedes Individuum trägt einzigartige, genetische Merkmale in sich. Schrumpft eine Population (wenn viele Individuen sterben oder Lebensräume zerschnitten werden durch z. B. menschliche Eingriffe), so sinkt die genetische Vielfalt der Population und somit die Anpassungsfähigkeit der betroffenen Arten an neue Umweltbedingungen - das Aussterberisiko steigt. In die Berechnung des Biodiversitäts-Fußabdrucks fließt z. B. ein, wie viel pflanzliche Biomasse für die Produktion eines Produkts nötig ist, wie viel Fläche die Produktion in Anspruch nimmt und wie hoch die durchschnittlichen Populationsverluste pro Fläche (abhängig vom Produktionsstandort) sind. Dieser Biodiversitätsfußabdruck lässt sich nun für einzelne Produkte berechnen, aber auch pro Person bzw. für die gesamte, konsumierende Bevölkerung eines Landes.

Wie steht es um Wiens Biodiversitäts-Fußabdruck?

biodiversitaetsfussabdruck kleinDer Einfluss des Konsums von Lebensmitteln, Energie und Materialien auf die Biodiversität von Amphibien, Reptilien, Säugetieren und Vögeln - der Biodiversitäts-Fußabdruck - wurde für die Stadt Wien im Jahr 2010 berechnet. Der durchschnittliche Pro-Kopf Konsum der Wiener Bevölkerung lag über dem globalen Durchschnitt, während der Biodiversitäts-Fußabdruck (10.905 drohende Verluste von Populationen wildlebender Arten) dem globalen Durchschnitt entsprach. Der Grund dafür ist, dass hauptsächlich Produkte aus bereits intensiv genutzten Regionen (mit hohen Ernteerträgen und effizienten Produktionssystemen) Europas konsumiert wurden, die zudem nicht mehr besonders artenreich waren. Den Großteil des Biodiversitätsfußabdrucks Wiens machte der Konsum von Lebensmitteln (58 %) aus, gefolgt vom Biomasseverbrauch für Materialien (28 % z. B. Wolle, Naturfasern, Kautschuk, Holz etc.) und Bioenergie (13 % z. B. Brennholz, Biokraftstoffe).

Besonders ins Gewicht fielen dabei tierische Produkte, da es zu hohen Verlusten bei Umwandlung pflanzlicher Rohstoffe (Tierfutter) zum verzehrfertigen Tierprodukt kommt - es muss also ein Vielfaches an pflanzlichen Kalorien verfüttert werden (je nach Tierart das 4 bis 65-fache), um daraus eine tierische Kalorie herzustellen. Besonders hohe Verluste treten bei der Produktion von Schaf-, Ziegen- und Rindfleisch auf. Dies geht logischerweise mit einem höheren Flächenverbrauch für tierische Produkte im Vergleich zu pflanzlichen einher. Dadurch sind Populationsverluste wildlebender Arten bei der Produktion von Tierprodukten (pro Produktmenge) besonders hoch und haben einen überproportionalen Anteil am Biodiversitäts-Fußabdruck Wiens, obwohl geringere Mengen im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln konsumiert wurden. Der Konsum von Rind und Schwein trug zusammen zu mehr als einem Viertel des Wiener Biodiversitätsfußabdrucks bei.

Zur Bereitstellung der Konsumgüter im Jahr 2010 musste die 35-fache Fläche Wiens (114,460 km²) weltweit bewirtschaftet werden. Bei Stimulanzien (Kaffee, Kakao, Tee) und exotischen Gewürzen ist der durchschnittliche Flächenbedarf pro Tonne im Vergleich zu anderen, pflanzlichen Produkte relativ hoch. Zudem gehen diese mit besonders hohen Populationsverlusten pro Anbaufläche einher, weil sie in der Regel in Regionen mit hoher Artenvielfalt (Tropen, Lateinamerika, Karibik, Subsahara Afrika etc.) angebaut werden. Besonders kritisch ist auch Tierkraftfutter, das in den Tropen angebaut und exportiert wird.

So verringern wir unseren Biodiversitäts-Footprint

  • Weniger tierische Produkte (hoher Landverbrauch) konsumieren – wieder freiwerdendes Ackerland kann der Natur zurückgegeben werden. Auch eine deutsche Studie zeigt, dass die Reduktion von mischkultur kleinbaeuerliche landwirtschaft klein Tierprodukten der größte Hebel zur Senkungen des Biodiversitätsfußabdrucks ist (25 % geringer bei flexitarischer Ernährung, 63 % geringer bei rein pflanzlicher Ernährung). Tierische Lebensmittel lassen sich gut durch proteinreiche Hülsenfrüchte, Nüsse oder Pilze ersetzen.
  • Auf die Herkunft von Produkten achten und weniger Produkte aus artenreichen Lebensräumen (z. B. tropischen Wäldern) kaufen. Einige ursprünglich in den Tropen kultivierte Pflanzen wie Ingwer, Schwarzkümmel, Kurkuma, Erdnüsse, Quinoa und Co lassen sich mittlerweile auch in Europa und sogar in Österreich anbauen. Wenn Produkte aus den Tropen konsumiert werden, dann ist darauf zu achten, dass diese in artenreichen Mischkulturen (z. B. Permakultur-Waldgärten („Chacra”), Agroforstsysteme etc.) oder zumindest biologisch angebaut wurden. Es gibt zudem bestimmte Pflanzen, die sich gar nicht in Monokulturen vermehren lassen, sondern nur in intakten, artenreichen Wäldern wachsen (z. B. Paranuss, Guayusa – eine Tee-Alternative).
  • Produkte aus biodiversitätsförderndem Anbau bevorzugen (z. B. extensiver/Bio-Anbau, Mischkultur, Permakultur, nachhaltige Waldwirtschaft etc.) und nur kaufen, was man wirklich benötigt.

Weiterführende Informationen:

Ernährungspyramide 2.0. (WWF Österreich) - Ernährungsempfehlungen, die sowohl gesundheitliche als auch ökologische Aspekte berücksichtigen

Quellen:

Semenchuck et a. 2023: The global biodiversity footprint of urban consumption: A spatially explicit assessment for the city of Vienna. Science of The Total Environment, Volume 

So schmeckt Zukunft: Der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde. Ernährung und biologische Vielfalt (WWF Deutschland, 2022)

Copyright Fotos: Ramona Cech, Bendikt Heger, Wilfried Doppler, Walter Domoracky

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