kleiner fuchsDa in diesem Handbuch viel von Natur die Rede sein wird, soll hier dem Ursprung des Begriffes nachgegangen werden. Das Wort Natur ist dem lateinischen "nascere = gebären" verwandt - "das aus sich selbst hervorgegangene, die Welt, die Geburt, die Schöpfung". Der österreichische Philosoph Ernst Mach fasst Natur als „jenen Seinsbereich“ auf, „der vor uns war, uns hervorgebracht hat und nach uns sein wird", also die Grundlage unseres Lebens. Mit jeder Zerstörung von Natur beschränken wir somit unser eigenes Erleben und rauben uns unmittelbar ein Stück Lebensqualität. Das Handbuch Stadtnatur belegt anhand einer Vielzahl von Beispielen, wie gut sich Nutzungsansprüche mit dem Schutz von Natur abstimmen lassen.

Chancen für gefährdete Arten und Lebensräume aufzeigen 
Die persönliche Beziehung zur Natur intensivieren
Die Eigeninitiative fördern

Chancen für gefährdete Arten und Lebensräume aufzeigen

zauneidechseIn Schutzgebieten kann nur ein Teil der heimischen Arten erhalten werden. Viele, in ihrem Bestand ernstlich bedrohte Arten, können aber auf diese Weise nicht geschützt werden. Sie treten an verschiedensten Stellen des Stadtgebietes auf und können nicht in Schutzgebieten konserviert werden. Auch die genutzte Landschaft muss deshalb geeignete Lebensbedingungen für Tier- und Pflanzenarten bieten. Hier kann jeder Einzelne im eigenen Umfeld wirksame Maßnahmen setzen. Oft ist verständnisvolle Duldung die wichtigste Handlung. Das Handbuch Stadtnatur hilft, im persönlichen Einflussbereich die Lebensbedingungen von gefährdeten Arten und Lebensgemeinschaften zu erhalten und - wenn nötig - zu verbessern. Genauso wird aber auch dafür geworben, einen Beitrag zur Sicherung stadtökologischer Qualitäten, wie Stadtklima, Wasser und Boden, zu leisten.

Die persönliche Beziehung zur Natur intensivieren

alianthusfalterNatur kann auch in der Stadt ein Teil des Alltags sein. Die eigene Erfahrung mit dem Lebendigen macht viele aufwändige Schutzbemühungen überflüssig. Wenn jemand einen Lebensraum oder eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart auf dem eigenen Grundstück erhalten möchte, ist dies oft möglich, ohne dass eine beabsichtigte Nutzung aufgegeben werden muss. Dazu muss man den Blick öffnen und hinter die oft lebensfeindlichen Formen der Stadt sehen. Viele Tiere und Pflanzen finden in Gehsteigkanten, Hinterhöfen und gering genutzten Stellen Lebensmöglichkeiten. Diese "Stadtwildnis" ist nicht das Kennzeichen morbiden Verfalls, sondern aufkommenden Lebens.

Der Götterbaum (Ailanthus altissima) ist als Futterpflanze des Ailanthusspinners die Ursache dafür, dass in Wien in "freier Wildbahn" ebenso prächtige Falter wie im Schmetterlingshaus leben. Mit fünfzehn Zentimetern Spannweite ist er neben dem Wiener Nachtpfauenauge einer der größten Schmetterlinge Wiens. Manchmal verfliegt sich der nachtaktive Falter in die dicht bebauten Stadtteile und ist dann auch tagsüber anzutreffen. götterbaum dichtbebautes stadtgebiet

Wichtiger als naturwissenschaftliches Wissen ist also der emotionale Bezug zur Stadtnatur. Die Entwicklung und Stärkung einer regionalen Identität und eines urbanen Selbstverständnisses schließt auch stadtökologische Qualitäten mit ein.

Die Eigeninitiative fördern

bläulingJe stärker die Natur dem eigenen Handlungsspielraum entzogen wird, desto geringer ist das Verständnis und die Freude daran. Wir können vieles verändern und sollten uns nicht davor scheuen, Natur in unser Leben einzubeziehen. Konkrete Tipps nehmen daher einen wichtigen Teil des Handbuches Stadtnatur ein. Werden beispielsweise bewusst blumenreiche Säume entlang von Hecken angelegt, haben auch Schmetterlinge, die heute im Stadtbild vielfach fehlen, wieder eine Chance. Mit vielen Maßnahmen verändern und entwickeln wir alle die Stadt weiter und entscheiden, welche Lebensbedingungen erhalten bleiben und welche neu entstehen. Jeder einzelne Schritt für sich ist klein, die gesamte Veränderung kann aber massiv sein. Häufig ist es so, dass schon im Dulden, im "den Dingen ihren Lauf lassen", viel Erlebnismöglichkeit und Reiz steckt. Nicht die perfekte, statische Gestaltung, sondern das Auslösen und Beobachten von Entwicklungen fördern das Verstehen natürlicher Abläufe.

 

© Fotos: Zauneidechse, Götterbaum, Kleiner Fuchs: W. Doppler, WUA; Bläuling: M. Jaros, WUA; Aliantusfalter: H. Pruscher

 

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